Daten strukturieren und verstehen
Das Problem – nicht nur in der chemischen Industrie – ist die Qualität der Datenlage. Erhoben werden Daten während des Prozesses mit Sensoren, die an verschiedenen Punkten der Produktionsanlagen angebracht sind. Nicht ganz klar ist, ob die Sensoren immer voll funktionsfähig sind, ob es eine ausreichende Anzahl an Sensoren gibt, um den Vorgang abzubilden und ob sie an den richtigen Stellen der Anlage sitzen. Darüber hinaus gibt es externe Faktoren, die die Datenerhebung verzerren können. Häufig können rein datenbasierte Algorithmen nicht ausreichend trainiert werden, weil die Daten, aus denen sie lernen sollen, zu inhomogen oder zu dürftig sind.
Verschiedene Betriebszustände erfassen
Dr. Michael Bortz, Abteilungsleiter »Optimierung – Technische Prozesse« und am ITWM verantwortlich für die inhaltlichen Schwerpunkte des Workshops, macht deutlich: »Wenn man verlässlich aus Daten lernen möchte, braucht man möglichst vollständige Informationen über die Varianten des betrachteten Gegenstands.« Soll beispielsweise in der Bildverarbeitung ein Algorithmus darauf trainiert werden, einen Hahn zu erkennen, muss man ihm viele verschiedene Bilder von Hähnen zeigen. Übertragen auf verfahrenstechnische Produktionsprozesse bedeutet das, dass man die Vielfalt von möglichen Betriebszuständen vollständig in Form von Messdaten abgebildet sein müssten – was in der industriellen Praxis weder möglich noch sinnvoll ist. Genau hier kommen Greybox-Modelle zum Einsatz, um durch die Kombination von physikalischem Prozesswissen und vorhandenen Daten ein verlässliches Gesamtbild zu erhalten.
Beyond Number 42: Die richtigen Fragen stellen
Welche großen Fortschritte bei den digitalen Methoden zur Optimierung von Energieversorgung, auch bei der chemischen Industrie, bereits gemacht wurden, zeigte Prof. Dr. André Bardow, Inhaber des Lehrstuhls für Technische Thermodynamik an der RWTH Aachen. Algorithmen und Rechenergebnisse alleine reichen dabei nicht aus. »Das wissen wir aus Per Anhalter durch die Galaxis«, so Bardow. »Es kommt auch darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. Sonst stehen wir ratlos vor einem Ergebnis 42.«
In seinem Vortrag erläuterte er Methoden, die es erlauben Fragen zu stellen bzw. systematische Erkenntnisse aus den Ergebnissen abzuleiten. Er betonte, dass es nicht reicht, das bestmögliche Ergebnis als Resultat einer mathematischen Optimierung zu kennen; man muss vielmehr verstehen, warum dieses Ergebnis unter den gemachten Annahmen das beste ist, und was sich daran ändert, wenn sich die Annahmen ändern.
Wissenschaftliche Diskussionen und persönliches Networking bilden die Basis, um die Themen der zukünftigen Verfahrenstechnik zu vermitteln und zu gestalten. Input gab es reichlich an den beiden Tagen, vor allem für die Verknüpfung verschiedener Skalen bei der Prozesssimulation sowie hinsichtlich neuer Methoden für die Prozessoptimierung.