Standardisierte Bewertung der Altersvorsorgeprodukte

Interview mit Dr. Normann Pankratz, Debeka Versicherungen

Seit 2016 klassifiziert ein Team der Abteilung »Finanzmathematik« im Auftrag der Produktinformationsstelle Altersvorsorge gGmbH (PIA) staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte. Ein Modell, das Standards gesetzt hat und nun angepasst auch Verträge der betrieblichen Altersvorsorge objektiv vergleichbar machen soll.
 

Mathematik schafft Transparenz: Sicher fürs Alter vorsorgen

Das Basismodell der PIA hat sich in den letzten Jahren als Branchenstandard in Deutschland etabliert. Auch im Bereich »betriebliche Altersvorsorge« könnte ein angepasstes Modell zum Tarifvergleich Versicherte unterstützen. Denn in dieser Säule der Altersvorsorge existieren weitere verschiedene Tarife und die Angebote umfassen unterschiedliche Modellrechnungen und Leistungskennzahlen. Für Interessierte ist es schwierig die Produkte zu bewerten. Deshalb arbeitet jetzt das ITWM-Team mit der Debeka im Projekt »Transparenzinitiative betriebliche Altersvorsorge« für mehr Transparenz. Das Versicherungsunternehmen hat ein neues Rentenprodukt für die betriebliche Altersvorsorge entwickelt, das 2023 angeboten werden soll. Ähnlich wie für andere Altersvorsorgeprodukte sollen die für den Vertrieb wichtigen Produktkennzahlen auf Grundlage eines mathematischen Modells ermittelt werden. Das Ziel auch hier: Einen Beurteilungsrahmen für Tarife zu schaffen, der einen fairen Angebotsvergleich ermöglicht. Idealerweise sollte ein säulenübergreifender Standard entstehen, der den Versicherten es erleichtert ihre Altersvorsorge gesamtheitlich einzuschätzen. 
 

Im Interview erläutert Dr. Normann Pankratz, Mitglied des Vorstands der Debeka Versicherung, was das heißt und wie die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ITWM aussieht.   

Dr. Normann Pankratz, Mitglied im Vorstand der Debeka.
© Debeka
Dr. Normann Pankratz, Mitglied im Vorstand der Debeka: Dezernent für die Bereiche Allgemeine Versicherung, Aktuarielle Funktion, Krankenversicherung/Technik sowie Lebensversicherung und Pensionskasse/Technik.

Interview mit Dr. Normann Pankratz, Debeka Versicherung

Ein Ziel unseres gemeinsamen Projekts »Transparenzinitiative betriebliche Altersvorsorge« ist, ein größeres Bewusstsein für eine standardisierte Bewertung der Altersvorsorgeprodukte in der Branche zu schaffen. 
 

Dr. Normann Pankratz, wie kann man sich das in der Praxis vorstellen? Was ist bisher passiert und was soll noch passieren?

Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit wurde für die private Altersvorsorge mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz ein verpflichtendes Produktinformationsblatt für die staatlich geförderten Produkte eingeführt. Bereits seit 2017 müssen Verbrauchende durch das Informationsblatt vor Abschluss eines Vertrags informiert werden, um in leicht verständlicher und standardisierter Form einen Produktvergleich zu ermöglichen.

Für die Bevölkerung in Deutschland stellt die betriebliche Altersvorsorge eine sehr wichtige Komponente dar und zudem ist das Marktangebot vielschichtig. Die Debeka entwickelt und vertreibt im Bereich der Altersvorsorge unterschiedliche Tarife und strebt für diese ein standardisiertes Verfahren zur Prognose von Leistungen an. 

Das Fraunhofer ITWM arbeitet schon seit Jahren mit Ihnen zusammen, was macht die Zusammenarbeit so besonders?

Bereits bei der Etablierung des Altersvorsorge-Verbesserungsgesetzes, insbesondere der Klassifizierung unserer Tarife der privaten Altersvorsorge, haben wir die enge Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ITWM schätzen gelernt. Mit dem Konsortium »Das Rentenwerk« haben wir im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (bAVII) dann völliges Neuland betreten und sowohl eine zielführende Umsetzung als auch das Know-how bei der Modellierung des Kapitalmarktmodells haben uns überzeugt.

Warum ist es wichtig, mehr Transparenz für betriebliche Altersvorsorgeprodukte zu schaffen?

Die vielschichtigen Marktangebote der Produkte der betrieblichen Altersvorsorge sollen mithilfe der Modellrechnungen und Leistungskennzahlen eingeschätzt und bewertet werden. Allerdings werden diese Darstellungen von den Anbietenden in Eigenverantwortung erstellt und unterliegen bisher keiner Normierung. Das führt dazu, dass der Vergleich der Produkte intransparent ist. Die Verwendung unterschiedlicher Kapitalmarktmodelle birgt Unsicherheit hinsichtlich der erwarteten Chancen und Risiken des Produktes. Eine passende Entscheidung zur Produktwahl für den/die Kund:innen wird aufgrund der Komplexität der Sachlage erschwert. Um mehr Transparenz zu schaffen, streben wir auch für die betrieblichen Altersvorsorge-Produkte eine standardisierte Bewertung an. 

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Bei der Etablierung eines Standards wird eine breite Zustimmung der teilnehmenden Akteure benötigt. Sicher müssen dazu die Interessen übereinstimmen. Mit der Etablierung des Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz haben wir für Transparenz gesorgt und Transparenz erzeugt Vertrauen bei den Kund:innen. 

Welche aktuellen Entwicklungen sehen Sie auf dem Markt, wie reagiert Ihr Unternehmen darauf?

Zum einem nimmt die Produktvielfalt mit unterschiedlichen Garantieniveaus auf dem Markt zu. Dabei werden verschiedene Algorithmen zur Erzeugung der Garantien und vielfältige Auswahlmöglichkeiten für die freie Kapitalanlage kombiniert, wodurch sich die Komplexität der Produkte erhöht. Zum anderen besteht auf dem Markt der betrieblichen Altersvorsorge kein einheitlicher Standard hinsichtlich der Vergleichbarkeit. Damit ein dem Profil der Kund:innen angemessenes Produkt angeboten werden kann, ist es nun sehr wichtig, einen Standard zur Vergleichbarkeit zu etablieren. Dies hat sich bereits bei der Riesterrente und der Basisrente bewährt. 

Welche Rolle kann angewandte Forschung und Finanzmathematik einnehmen?

Forschungsarbeit liefert wichtige Impulse und ist ein wesentlicher Bestandteil in der Finanzmathematik. Mit der Entwicklung stochastischer Kapitalmarktmodelle können bereits heute die Produkteigenschaften verschiedener Produktgattungen und Anlagemodellen berücksichtigt werden. Während die Modelle eine realitätsnähere Darstellung der Leistungen liefern, führt die Entwicklung mathematischer Modelle zu standardisierten Bewertungsmethoden und somit zu Transparenz. 

Diese Entwicklungen sollen betriebliche Altersvorsorge attraktiver machen. Ist ein solches Modell auch für andere Versicherungsprodukte denkbar?

Mit der Transparenzinitiative erhöhen wir zunächst die Vergleichbarkeit der Produkte innerhalb des bAV-Marktes, womit wir das Vertrauen der Bevölkerung hinsichtlich der betrieblichen Altersvorsorgeprodukte fördern. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass die Transparenzinitiative auch für eine Vergleichbarkeit der Produkte über alle drei Säulen der Altersvorsorge, also der betrieblichen, gesetzlichen und privaten, hinweg denkbar ist.