JUROJIN – Statistische Auswertung von Betriebsfestigkeitsversuchen

Das Statistikprogramm JUROJIN wird für die Planung und Auswertung von Betriebsfestigkeitsversuchen entwickelt und gepflegt. Methodik und Programmgestaltung orientieren sich an Projekten und praktischen Problemstellungen aus der PKW und Nutzfahrzeugindustrie. JUROJIN ist derzeit bei einer Reihe von Fahrzeugherstellern und Zulieferern im Einsatz.

Herausforderung: Der Zuverlässigkeitsnachweis ist teuer

Bevor Bauteile in Serie produziert werden stehen für den Zuverlässigkeitsnachweis nur wenige, teure Prototypen zur Verfügung. Dennoch muss die Lebensdauer jeweils gerade für sicherheitsrelevante Bauteile zuverlässig nachgewiesen werden.

Es ergeben sich typische Fragen:

  • Wie viele Bauteile müssen bis zu welcher Lebensdauer getestet werden?
  • Besser viele kurze oder wenige lange Versuche?
  • Wie werden die Daten ausgewertet?
  • Mit welcher statistischen Aussagesicherheit sollte gearbeitet werden?
  • Stellen Zulieferer die gleiche Qualität bereit?
  • Kann die Freigabe eines Bauteils auf ein modifiziertes Bauteil ausgedehnt werden?
  • usw.

Lösung in JUROJIN

JUROJIN beantwortet diese Fragen durch verbesserte Varianten bewährter Methoden wie Maximum-Likelihood, Darstellung in Wahrscheinlichkeitsnetzen und Success Runs. Bootstrap-Verfahren korrigieren Fehler kleiner Stichproben und berücksichtigen alle Informationen aus zensierten Daten.
 

Statistik-Paket JUROJIN

Resultat der Software-technischen Umsetzung der genannten verbesserten Methoden ist das Statistik-Paket JUROJIN. Im Vordergrund der Entwicklung standen vor allem drei Aspekte:

  1. Mathematischer Benchmark: optimale Ausnutzung sämtlicher Stichprobeninformation durch effiziente statistische Methoden zur Senkung des Versuchsaufwandes
  2. Einfache Bedienbarkeit: geringe Hemmschwelle für den Anwender, möglichst geführte Bedienung um die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten
  3. Modifizierbarkeit: Profibenutzer erstellen Vorlagen für Standardbenutzer

Leistungsumfang des Software-Pakets JUROJIN:

  • Planung von Lebensdauerversuchen
  • Auswertung der Daten mit ausgewählten Methoden
  • Grafische Datenaufbereitung
  • Berücksichtigung kleiner Stichprobenumfänge
  • Nutzung aller Informationen aus Durchläufern
  • Berechnung weiterführender Versuchspläne bei nicht erfolgter Freigabe
  • Variantenvergleiche
     

Weitere Module von JUROJIN

Adaptive Planung von Lebensdauer­versuchen

Die klassische Success-Run-Planung von Lebensdauerversuchen fordert eine gewisse Anzahl von Bauteilen ohne Ausfall bis zu einem Vielfachen der Ziellebensdauer (dem Lebensdauerverhältnis). Bei geringen Prüfumfängen haben dabei auch gute Bauteilpopulationen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für scheiternde Freigaben. Versucht man durch Nachschieben von Bauteilen darauf zu reagieren erhöht man zwangsläufig das Risiko, dass nun auch schlechte Bauteilpopulationen den Test bestehen.

Jurojin quantifiziert dieses Risiko und hilft bei der Auswahl einer geeigneten Strategie:

  • Wenige Bauteile bis zur gleichen Laufzeit nachschieben
  • Mehr Bauteile zu einer kürzeren Laufdauer nachschieben
  • Reaktivierung noch nicht ausgefallener Bauteile

Wöhlerversuche
© Fraunhofer ITWM
Wöhlerversuche

Klassisch ermittelt man die Zeit- und Dauerfestigkeit von Bauteilen getrennt in zwei Versuchsserien, jeweils auf unterschiedlichen Lasthorizonten. Die Ursache dafür ist, dass sich bei zyklischen Bauteilbelastungen (Wöhlerversuche) bei mittleren bis hohen Lasten ein linearer Zusammenhang im doppellogarithmischen Maßstab, Zeitfestigkeit genannt, ergibt. Bei niedrigen Lasten beobachtet man oft ein Abknicken der Gerade auf einen fast horizontalen Verlauf. In diesem Dauerfestigkeitsbereich werden Lasten theoretisch »unendlich oft« (d.h. über eine Million Zyklen) ertragen. Klassisch wird hier eine Regression in Lastrichtung, also orthogonal zur Zeitfestigkeitsregression, für die Information {Bauteil fällt aus/Bauteil ist dauerfest} durchgeführt.

Motiviert durch Herausforderungen aus der Industrie wurde am ITWM ein neues stochastisches Modell entwickelt. In ihm werden beide Bereiche in Zyklenrichtung interpretiert, wobei Dauerfestigkeit als VHCF-Grenzfall (very high cycle fatigue) erscheint. Zufallsvariablen regeln den Übergangsbereich und Streuung der Zeitfestigkeit. Nun können alle Informationen effizient in die simultane Parameterschätzung einfließen, inklusive einer automatisierten Auswahl der optimalen Modellkomplexität.

Zuverlässige Garantiedaten­auswertung

Garantiedaten
© Fraunhofer ITWM
Garantiedaten

 

Neben der Bewertung von neuen Komponenten im Entwicklungsprozess lassen sich in Jurojin auch Garantiedaten von Serienbauteilen analysieren. Diese Rohdaten enthalten meist nur reklamierte Bauteile und weisen keine Informationen über Laufleistungen intakter Bauteile auf. Eine Prognose auf dieser Basis wäre in aller Regel zu pessimistisch. Sobald im Laufe der Zeit die ersten Bauteile die Garantiephase verlassen, werden deren Defekte nicht mehr vollständig an den Hersteller gemeldet. Nun wäre eine Prognose zu optimistisch.

In mehreren Industrieprojekten wurden diese Unvollständigkeiten (»Missing Data«) modelliert und eine korrigierte Likelihood-Funktion entwickelt. Gemeinsam mit einem Nutzungsmodell der intakten Einheiten nutzt Jurojin nun eine Monte Carlo-Simulation zu Berechnung eines statistisch vollständigen Datensatzes, auf dessen Basis die Hochrechnungen durchgeführt werden. Zuverlässige Ausfallprognosen für zukünftige Zeitpunkte sind damit insbesondere auch in frühen Phasen der Garantiedatenerhebung möglich.

 

JUROJIN – Mobile App

© Google Play

 

2017 haben wir das Jurojin-Modul »Versuchsplanung« auch für die Android-Plattform und als Web-App zur Verfügung gestellt. 2018 folgte der Microsoft-Store als Download-Option. Neben der umfangreichen Desktop-Suite werden damit die häufigsten Fragen des oben genannten Katalogs in einer schlanken, mobilen Lösung beantwortet. Die Basisversion für Smartphones, Tablets und Chromebooks kann kostenlos über Google Play heruntergeladen werden.