Trotz steigender positiv Meldungen, sinken die Todeszahlen. Ob wir das nur der Impfung zu verdanken haben, lesen Sie im neusten Blogbeitrag.
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Im ganzen Hin-und-Her rund um den Lockdown mischt sich immer wieder eine kleine positive Meldung. Trotz steigender Zahlen sinken die Todeszahlen. Haben wir das nur der Impfung zu verdanken?
Ein Beitrag von Jochen Fiedler und Sascha Feth.
Nachdem nun seit Anfang Januar die gemeldeten Infektionszahlen lange Zeit gesunken sind, steigen sie aktuell leider wieder stark an und die dritte Welle zeigt sich in den Diagrammen.
Zeitgleich sinkt der Anteil der ältesten Menschen (bezieht sich auf die Altersgruppe 80+) an diesen Infektionszahlen stetig. Das hat dazu geführt, dass hier schon Mitte März ein Erfolg der Impfungen vermutet wurde, bspw. durch Olaf Gersemann.
Auf den ersten Blick naheliegend: Zu diesem Zeitpunkt (Stand 12.03.2021) wurden knapp 6 Mio. Menschen zumindest einmal geimpft, wovon aufgrund der Priorisierung bei den Impfungen ein relativ großer Anteil älter als 80 Jahre sein dürfte. Auf den zweiten Blick offenbart sich allerdings, dass hier nicht nur Impfungen eine mögliche Erklärung darstellen können. Auch die Art der Nachverfolgung sowie die Tatsache, dass sich Ältere verzögert infizieren, könnten Teilgründe für die beobachtete Entwicklung sein. Zum Einstieg in die Thematik empfehlen wir nochmal unseren Blogpost zu dieser Verzögerung.
Schauen wir uns dazu zuerst an, wie sich Anteile der Altersgruppen an den Infektionszahlen entwickeln:
Dabei fallen die folgenden Dinge auf.
Aus den Punkten 1 und 2 folgt relativ direkt, dass es kaum zulässig ist, allein vom sinkenden Anteil der ältesten Menschen auf einen starken Impferfolg zu schließen: Im Frühjahr 2020 gab es noch keine geimpften Menschen und auch andere Herdenimmunitätseffekte können noch keine Rolle gespielt haben.
Somit könnten auch heute noch andere Effekte dazu führen, dass der Anteil sinkt.
Wir sehen, dass die Anteile stark mit den tatsächlichen Meldezahlen zusammenhängen. Sind diese besonders hoch, wie im April 2020 und zum Jahreswechsel 2020/2021, so ist auch der Anteil der ältesten Menschen besonders hoch; sind sie relativ niedrig, so ist auch der Anteil der ältesten Menschen niedrig. Dies könnte daran liegen, dass bei hohen Inzidenzen die Nachverfolgung immer schlechter wird und somit hauptsächlich Fälle mit schwereren Symptomatiken auffallen. Da die Schwere der Verläufe aber stark mit dem Alter zunimmt, sind hier die älteren Menschen überrepräsentiert. Umgekehrt können niedrigere Inzidenzen mehr Kapazitäten für eine gute Nachverfolgung bedeuten, wodurch auch Infektionen mit weniger schweren Symptomatiken auffallen. Dies kann den steigenden Anteil an Menschen in der Altersgruppe 15-34 erklären, sobald die Inzidenzen fallen: Diese Gruppe ist einerseits sehr mobil und hat relativ viele Kontakte, dementsprechend ist zu erwarten, dass in dieser Gruppe viele Infektionen sind. Andererseits sind die Menschen in dieser Altersgruppe so jung, dass ihre Verläufe bei der Erkrankung im Mittel sehr viel milder ausfallen, als bei den ältesten Gruppen.
Das klingt bisher nicht wirklich zuversichtlich, was die Wirkung der Impfung angeht.
Im Folgenden wollen wir eine einfache Abschätzung machen, wie stark die Impfeffekte überhaupt schon sein können. Dazu nutzen wir die vom RKI zur Verfügung gestellten Daten des Impfmonitorings. Dort wird auch aufgeschlüsselt, was die Impfindikation ist, also aus welchen Gründen Personengruppen geimpft wurden. Zum Beispiel finden sich dort die Daten, wie viele Menschen geimpft wurden, weil sie aufgrund des Alters, ihres Berufs oder ihres Aufenthalts in einer Pflegeeinrichtung eine entsprechend hohe Impfpriorisierung besaßen. Am 12. März entfielen insgesamt etwa 54 Prozent der Erstimpfungsindikationen auf die Kategorien »Alter« und »Pflegeeinrichtungen«. Da eine Person aufgrund mehrerer Indikationen geimpft werden kann, können hier auch Dopplungen auftreten: Eine einzelne Person kann sowohl wegen ihres Alters, als auch wegen ihres Aufenthalts in einem Pflegeheim eine hohe Impfpriorität besitzen. Wir gehen der Einfachheit davon aus, dass bis heute im Mittel etwa 60 Prozent aller täglichen Erstimpfungen auf Menschen hohen Alters, also nach den Priorisierungsrichtlinien auf Menschen der Altersgruppe 80+ entfielen. Insgesamt leben in Deutschland etwa 5.7 Mio. Menschen, welche älter als 80 sind. Damit ergibt sich folgende Grafik für den Anteil der Menschen älter als 80, die mindestens einmal geimpft wurden im Vergleich zu dem Anteil der Menschen dieser Altersgruppe an den Meldezahlen.
Damit wurden am 15. Februar etwa 25 Prozent der Menschen älter als 80 mindestens einmal geimpft, während ihr Anteil an den Meldezahlen bei knappen 10 Prozent lag. Rein von diesen Zahlen passt das der Rückgang in den Anteilen von im Maximum fast 15 Prozent auf 10 Prozent ganz gut mit dem Anstieg des Anteils der Geimpften zusammen, was aber ein paar Effekte vernachlässigt.
Damit man eine wesentlich infektiösere Mutation möglichst früh erkennt, braucht man in der Breite ein gutes Monitoring sämtlicher Mutationen.
Die Grafik sieht – wie gesagt – auf den ersten Blick so aus, als könnten die Impfungen tatsächlich den Rückgang vollständig erklären, allerdings muss man hierbei noch zwei Dinge berücksichtigen. Erstens gibt es einen Meldeverzug bei den Infektionen, aber nicht bei den Impfungen. Infektionen werden mit einer zeitlichen Verzögerung von ungefähr 11 Tagen registriert, weshalb die rote Kurve in diesem Bild um 11 Tage nach links verschoben werden muss.
Zweitens wirken Impfungen nicht sofort, sondern bauen ihren Schutz etwas zeitverzögert auf. So kamen Studien aus Israel zu dem Ergebnis, dass etwa zwei Wochen nach Gabe der Erstimpfung ein Schutz von etwa 85 Prozent besteht. Wir berücksichtigen nun diese beiden Dinge. Letzteren Aspekt durch die Annahme, dass sich der Impfschutz linear mit der Zeit aufbaut, was sicherlich nicht der Wahrheit entspricht, aber in erster Näherung mangels weiterer Informationen zu nicht unplausiblen Abschätzungen führt. Damit erhalten wir folgende Grafik, wo der abgeschätzte tatsächliche Impfschutz der Altersgruppe 80+ und der Anteil der Altersgruppe 80+ an den Infektionszahlen geplottet ist.
Dort sehen wir, dass am 15. Februar etwa 20 Prozent der Menschen älter als 80 geschützt sind, während zu diesem Zeitpunkt der Anteil an den Gesamtinfektionen um 50 Prozent zurückgegangen ist. Auch wenn dies nur eine sehr grobe Abschätzung ist, spricht sie nicht dafür, dass die Impfungen den stärksten Effekt in den Meldezahlen ausmachen. Würden sie dies tun, würde sich auch der Anstieg der übrigen Anteile gleichmäßiger über alle Altersgruppen verteilen und nicht so sehr auf die Jüngeren.
Wir können davon ausgehen, dass es mittlerweile einen Impferfolg gibt; gerade bei den älteren Menschen. Aus den Meldezahlen lässt er sich jedoch nicht so stark und einfach ablesen, da auch andere Effekte wirken. Sollten die Zahlen nun weiter und stärker ansteigen, dann werden wir aber vermutlich den Impferfolg bei den Ältesten deutlicher sehen, indem deren Anteil nicht so stark ansteigt, wie er es in vorigen Wellen tat.
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM