Simulation nach Maß – Optimiert Trennen beim Destillieren

DFG-Projekt: Modellierung und mehrkriterielle Optimierung multipler Trennwandkolonnen

In der chemischen Verfahrenstechnik ist die Destillation das wichtigste thermische Trennverfahren und für circa zehn Prozent des europäischen Energiebedarfs verantwortlich. Es ist also auch ein entscheidender Hebel Energie einzusparen. Das gelingt zum Beispiel durch das Kombinieren von mehreren Prozessen in einem einzelnen Apparat. 

Leider lassen sich solche Apparate in herkömmlicher Simulationssoftware oft nur schlecht abbilden. Um die Prozesse optimal auszulegen und Energie zu sparen, benötigt man genau diese Simulationen. Hier setzt unsere Arbeit an. Unsere Forschenden am Fraunhofer ITWM entwickeln maßgeschneiderte Simulationen und Optimierungen, die genau solche Prozesse robust und effizient abbilden. Diese helfen das Potential beim Einsparen von Energie und Kosten für Unternehmen mit Hilfe von neuen Technologien aufzuzeigen.

Die einzigartige multiple Trennwandkolonne erstreckt sich im Technikum der Universität über drei Etagen.
© Elvira Eberhardt / Universität Ulm
Die einzigartige multiple Trennwandkolonne erstreckt sich im Technikum der Universität über drei Etagen.

Ein Beispiel dafür sind Trennwandkolonnen (TWK), dabei werden mehrere Trennprozesse in einer einzelnen Kolonne kombiniert. Seit einigen Jahren wird weltweit an Trennwandkolonnen geforscht, unter anderem am Institut für Chemieingenieurwesen der Universität Ulm. Im Technikum der Uni steht inzwischen sogar die weltweit erste multiple Trennwandkolonne (mTWK), die das Prinzip der TWK auf mehrere Trennwände und auf die Trennung von mehreren Stoffen erweitert. Gemeinsam mit Forschenden der Universität Ulm entwickeln wir maßgeschneiderte Simulationen für einfache und multiple Trennwandkolonnen.

 

Energie sparen durch mehrkriterielles Optimieren

Die übliche weitverbreitete Alternative zum Trennen von Mehrstoffgemischen ist es mehrere gewöhnliche Kolonnen hintereinanderzuschalten. Dabei wird schrittweise je ein weiterer Stoff aus dem Gemisch abgetrennt. Die am Fraunhofer ITWM entwickelten Methoden zu mehrkriteriellen Optimierung zeigen, dass es hier einen Trade-off gibt. Trennwandkolonnen haben zwar höhere Investitionskosten als die konventionelle Trennung, dafür sparen sie Energie und Kosten im Betrieb. Diese Energieeinsparung für die Unternehmen in der Industrie kann im Bereich von 25 bis zu 50 Prozent liegen.  

Unsere Forschenden am Fraunhofer ITWM haben zudem in jahrelanger Arbeit mit Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie mathematische Expertise zu Destillationsprozessen aufgebaut. Dieses Wissen im Optimieren der Abläufe und beim Design chemischer Produktionsanlagen bringen sie in das Projektteam mit ein.

Von der Simulation zur Destillation

Auf dieser Forschungsbasis entwickelte unser Team erfolgreich eine neuartige Art des Modellierens, Simulierens und Optimierens (MSO) von einfachen und multiplen Trennwandkolonnen. Zudem demonstrieren wir den wissenschaftlichen Fortschritt anhand verschiedener Anwendungsfälle und haben die Ergebnisse bereits in einschlägigen Publikationen veröffentlicht. In einem Paper zeigen wir, dass unsere Lösung bis zu 1000-mal schneller ist als eine Lösung mit herkömmlicher Simulationssoftware.
 

Unsicherheiten berücksichtigen

Für den Betrieb in der Praxis reicht es allerdings nicht davon auszugehen, dass die Trennaufgabe genau bekannt ist. Unbekannte Größen haben einen großen Einfluss auf den optimalen Betrieb und müssen bei der Auslegung beachtet werden. Unsere Forschenden berücksichtigen unterschiedliche Unsicherheiten und entwickeln Strategien, bestmöglich auf solche zu reagieren. Dabei sind einerseits betriebsbedingte Unsicherheiten gemeint – etwa schwankende Zusammensetzungen – andererseits haben wir als Faktoren physikalische Modellparameter im Blick – etwa zur Beschreibung thermodynamischer Gleichgewichte.

Unsere modellbasierte Simulation und das Optimieren des Prozesses ermöglichen es, das Sparpotential zu beziffern und möglichst vollständig auszuschöpfen.

Schematische Darstellung einer multiplen Trennwandkolonne
© Fraunhofer ITWM
Schematische Darstellung einer multiplen Trennwandkolonne zur Auftrennung einer Mischung aus vier Komponenten. Die Ströme trennen sich an den Trennwänden und die entstehenden parallelen Ströme vermischen sich nicht mit dem Kolonnenzufluss.
Forschende der Uni Ulm
© Elvira Eberhardt / Universität Ulm
Forschende der Uni Ulm haben eine hochleistungsfähige und vor allem nachhaltige Destillationsanlage in Betrieb genommen. Die weltweit einzigartige multiple Trennwandkolonne bewältigt ebenso viele chemische Trennprozesse wie drei übliche Destillationsanlagen in der Industrie.

Unsere Projektpartner

Institut für Chemieingenieurwesen der Universität Ulm (Gruppe um Prof. Dr.-Ing. Thomas Grützner)

 

Laufzeit und Förderung

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und ist auf vier Jahre angelegt.