Schneller virtuell spinnen dank Simulation

Projekt VISPI: Validierung eines Simulationswerkzeuges zum virtuellen Spinnen

Im Projekt VISPI entwickeln wir im Verbund eine Simulationssoftware, mit der ein breites Spektrum von Spinnprozessen virtuell abgebildet und untersucht werden kann. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Es ist eine der ältesten Techniken der Menschheit: Das Spinnen. Klassische Spinnereien, die Fasern zu Garn verarbeiten, findet man in Europa jedoch kaum noch – der größte Teil der Chemiefasern wird heutzutage in China produziert. Die Globalisierung betrifft aber auch die hier betrachtete Herstellung von synthetischen Fasern. Die deutschen Faserherstellenden setzen deshalb auf »Neuentwicklungen mit hoher Wertschöpfung«: Ziel ist es, sich von der in Asien hergestellten Massenware abzugrenzen und sich trotzdem international zu behaupten. Wir unterstützen diese Vision und entwickelt eine Simulationssoftware, die ein breites Spektrum von Spinnprozessen virtuell simuliert und analysiert.

Der diesem Industriesegment zugeordnete Maschinenbau ist nach wie vor stark in Deutschland verwurzelt. Die industrielle Forschung zur Produkt- und Prozessinnovation stößt auf rein experimenteller Basis an ihre Grenzen. Die Lösung: virtuelle Simulationen.

Digitaler Zwilling optimiert Spinnprozess

Simulationen sparen Experimente, erlauben neue Einblicke, ermöglichen systematische Parametervariationen und lösen Upscaling-Probleme, die zu gravierenden Fehlinvestitionen beim Übergang von der Laboranlage zur Industrieanlage führen können. Jedoch ist die Simulation von Spinnprozessen recht komplex, weil ganz unterschiedliche Arbeitsschritte schnell hintereinander ablaufen. Die benötigte Simulationsfähigkeit für Spinnprozesse ist daher momentan auf Forschungseinrichtungen beschränkt, wobei wir als Fraunhofer ITWM auch im weltweiten Vergleich eine führende Rolle einnehmen.

Der LSP Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe des Institutes für Werkstoffwissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bringt herausragendes Know-how in Polymerphysik und Werkstoffwissenschaften mit ein. Gemeinsam mit dem LSP Erlangen gilt es schnellstmöglich die entsprechenden Simulationswerkzeuge und -fähigkeiten unmittelbar den entwickelnden Unternehmen bereitzustellen. Denn die Bereitstellung entsprechender Simulationswerkzeuge kann zukünftig einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Faserherstellenden und Maschinenbauenden leisten.

Die Fasern werden durch diese Spinndüsen gepresst. Die Düsen befinden sich am oberen Ende des Spinnschachts der Anlage beim Projektpartner LSP Erlangen.
© Fraunhofer ITWM / LSP Erlangen
Die Fasern werden durch diese Spinndüsen gepresst. Die Düsen befinden sich am oberen Ende des Spinnschachts der Anlage beim Projektpartner LSP Erlangen.
Prinzipskizze Schmelzspinnen
© Fraunhofer ITWM
Prinzipskizze Schmelzspinnen

Der Prozess: Synthetische Faser spinnen

Bei Spinnprozessen zur Herstellung von synthetischen Fasern wird geschmolzene oder gelöste Spinnmasse durch feine Düsen gepresst, so zu Fasern versponnen und dann zum Aushärten durch eine Kaltluftströmung oder ein Spinnbad geführt. Bekannte Verfahren sind Schmelzspinnen, Lösungsspinnen, Gelspinnen und Dispersionsspinnen.

Die folgende Skizze verdeutlicht am Beispiel des Schmelzspinnens, welche Simulationskonzepte für die Simulation von Spinnprozessen erforderlich sind.

In den letzten Jahren entwickelten unsere Expert:innen ein Simulationstool, das auf die konkreten Anwendungsfälle der Industrie zugeschnitten ist: VISPI (Virtuelles Spinnen).

Die Software zum virtuellen Spinnen: Viele Parameter und Datenbank mit Polymeren

Die grafische Oberfläche des Tools erlaubt es den Nutzenden, alle benötigten Randbedingungen, darunter Positionen und Durchmesser der Düsen im Spinnpaket, einzugeben.

Auch folgende Angaben können gemacht werden:

  • der Massenfluss beziehungsweise die Spritzgeschwindigkeit
  • die Temperatur der Polymerfaser wird festgelegt
  • die Dichte
  • spezifische Wärmekapazität
  • die Viskosität
VISPI – Die Software zum virtuellen Spinnen
© Fraunhofer ITWM
VISPI – Die Oberfläche der Software zum virtuellen Spinnen.

Eine Materialdatenbank mit gängigen Polymeren ist ebenfalls in VISPI integriert. Das Tool bildet den Spinnprozess zuverlässig virtuell ab, wodurch sowohl das strömungsdynamische Auslegen des Spinnschachts als auch das Anordnen der Filamente im Spinnpaket untersucht werden können. Im Spinnschacht wird die Luft durch die Filamente erwärmt und nach unten mitgerissen. Dabei werden die hinteren Reihen nicht so effektiv abgekühlt, wie die Filamente, die nahe der Anblasung liegen. Dies spiegelt sich in unterschiedlichen Materialeigenschaften im finalen Produkt wider.

Gruppenbild beim Kick-off-Meeting
© Fraunhofer ITWM
Gruppenbild beim Kick-off-Meeting des Projektes am 17. September 2019 im Fraunhofer ITWM.

Im Verbund simulieren

Wir entwickeln schwerpunktmäßig die mathematisch-numerischen Methoden zur Simulation, während die Universität Erlangen ihre Expertise in Polymerphysik zum Aufbau einer Materialdatenbank einbringt.

Unser Institut hat in grundlegenden Forschungsprojekten physikalische Modelle und mathematische Algorithmen zur Simulation von Spinnprozessen entwickelt. Anhand der Produktion von Glaswolle und mehreren Polymerspinnprozessen haben wir dabei beispielhaft nachgewiesen, dass Simulationen sowohl die Faserprodukteigenschaften verbessern als auch die Energiekosten senken.

Testläufe auf Faserspinnanlage der FAU Erlangen-Nürnberg

Erste Tests der Software verliefen vielversprechend – etwa an der Faserspinnanlage des LSP Lehrstuhls für Polymerwerkstoffe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, dem Partner des Projekts. Damit kommen die Forschenden ihrem Ziel einen großen Schritt näher: mathematische Algorithmen zu einer lizenzierbaren Simulationssoftware auszubauen.
 

Ziel erreicht, Ausblick und Laufzeit des Projektes VISPI

Ziel des Projektes war das Entwickeln des Simulationstool »Virtuelles Spinnen (VISPI)«, das innovative industrielle Spinnprozesse für High-Tech-Fasern abbildet, auslegt und optimiert. Die Software wurde von verschiedenen Institutionen getestet und das Feeback der Testenden fiel sehr positiv aus.

Das Projekt VISPI lief von Juli 2019 bis Juni 2022 und wurde durch die BMBF-Fördermaßnahme »Validierung des technologischen und gesellschaftlichen Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung« erfolgreich unterstüzt.