Selbstprogrammierende Lackierzelle für Stückzahl eins

Projekt SelfPaint

Im Projekt »SelfPaint« haben wir gemeinsam mit den Fraunhofer-Instituten IPA und FCC eine selbstprogrammierende Lackierzelle entwickelt. Denn für die Lackiertechnik ist es sehr aufwendig, vollautomatische Lackierprozesse zu programmieren.

 

Automatisierte Lackierung von Einzelstücken

Innerhalb des Fraunhofer-Forschungsprojekts wurde in drei Jahren (2016-2019) eine Lackierzelle entwickelt, welche die Objekte selbstständig erfasst, vermisst und lackiert.

Die vollautomatisierte Lackierzelle ermöglicht es, beliebige Objekte zu bearbeiten. »SelfPaint« deckt dabei den gesamten Lackierprozess ab und eignet sich damit für zahlreiche Branchen und Einsatzfelder. Die Idee und die bisherigen Erfolge im Projekt zeigen, wie die zukünftige Lackapplikation flexibler und zugleich ressourcenschonender gestaltet werden kann. Der modulare Aufbau ermöglicht einen Einsatz der entwickelten Software und Technologien über die selbstprogrammierende Lackierzelle hinaus und lässt sich auch in bestehende Lackieranlagen integrieren.

Das Projekt ist abgeschlossen. Zum Ende des Projektes wurde ein Demonstrator im Lackier-Technikum des Fraunhofer IPA aufgebaut. »SelfPaint« stellen wir auf der PaintExpo im April 2020 in Karlsruhe vor.

Module der Lackierzelle und Schritte zur optimalen Lackierung

Die Architektur der selbstprogrammierenden Lackierzelle/der Prozess gliedert sich in folgende Module:

  1. 3D-Objekterfassung und Erzeugung virtueller Zwilling:
    Bei der 3D-Objekterfassung erfassen wir vom Fraunhofer ITWM mit Hilfe des Kinect-Fusion-Algorithmus eine Punktwolke des zu lackierenden Objektes digital. Mit angepassten Algorithmen führen wir anschließend ein Positionsabgleich zwischen der vorliegenden CAD-Zeichnung des Bauteiles und der detektierten Punktwolke durch. Die Wiedererkennung des bekannten CAD-Modells in der erfassten Punktwolke ermöglicht die Positionsbestimmung des Bauteils in der Lackierzelle unter Einsatz kostengünstiger Hardware. 

  2. Sprühsimulation:
    Basierend auf experimentell bestimmten Lackparametern – Partikelgröße, Dichte, etc. – kann mit der vom Fraunhofer IPA entwickelten Software das Sprühverhalten des genutzten Sprühkopfes (»Near-Bell-Simulation«) simuliert werden. Lackmenge, Rotationsgeschwindigkeit des Sprühkopfes und Luftströmung spielen dabei eine entscheidende Rolle und werden durch die entwickelten Modelle abgedeckt, um als Ausgangspunkt für die anschließende »Laydown«-Simulation hilfreich zu sein.

  3. »Laydown« Simulation: 
    Aufbauend auf die Ergebnisse der Near-Bell-Simulation werden mit den Simulationstools vom Fraunhofer-Chalmers das Sprühverhalten in größerer Entfernung berechnet. Hier werden elektrostatische Effekte als auch Luftströmung und der Magnuseffekt berücksichtigt, sodass diese Simulation online durchgeführt werden muss.

    Um in kürzester Zeit mit hoher Präzision Lackierbahnen zu erzeugen, hat das Fraunhofer-Chalmers FCC Simulationsmethoden miteinander kombiniert. Die physikbasierende Simulation wird in eine Simulation nahe dem Hochrotationszerstäuber (Near-Bell) und in eine dynamische Schichtdickensimulation (Laydown) geteilt (siehe Bild). Die Pfadoptimierung erfolgt mittels Machine Learning.

  4. Computergestützte Lackieroptimierung:
    Aus den Simulationsdaten bestimmt das System die bestmögliche Roboterbahn für den Lackierprozess. Um eine homogene Lackschicht zu erzielen, sind die genaue Kenntnis des Sprühnebelverhaltens und optimierte Lackierpfade nötig. Die Projektionsmethode nutzt ein statisches, simuliertes Spritzbild nach dem Prinzip einer Taschenlampe zur Erzeugung einer Schichtdickenverteilung. Mit den Informationen der Pfadoptimierung wird das Bauteil robotergestützt automatisiert lackiert.

  5. Endkontrolle mit berührungsloser Schichtdickenmessung: 
    Ist die Dicke der Lackschicht wie gewünscht? Zur Qualitätskontrolle kommt die Terahertz Schichtdickenmesstechnik zum Einsatz, um die Dicke des sowohl nassen als auch getrockneten Lacks zuverlässig zu bestimmen. Das vom Fraunhofer ITWM entwickelte System kann dabei mit bis zu 50 Messungen pro Sekunde das Objekt mittels Roboter vermessen, um so auch gekrümmte Bauteile zu erfassen.
Near-Bell und Laydown-Simulation
© Fraunhofer ITWM
Die physikbasierende Simulation wird in eine Simulation nahe dem Hochrotationszerstäuber (Near-Bell) und in eine dynamische Schichtdickensimulation (Laydown) geteilt.
3D-Objekterfassung
© Fraunhofer ITWM
3D-Objekterfassung eines Bauteiles.

Dreidimensionale Objekt- und Lageerkennung

Damit die Lackierzelle die Lage des Objekts für die Simulation und Lackierung kennt, muss dieses dreidimensional erfasst werden. In der selbstprogrammierenden Lackierzelle kommen 3D-Sensoren zum Einsatz, die ursprünglich zur Steuerung von Videospielen – einem globalen Massenmarkt – entwickelt wurden. Die Genauigkeit der Lageerkennung ist für viele Bauteile im Millimeterbereich, ausreichend für die anschließende Lackierung und liegt innerhalb der Fertigungs- und Positionierungstoleranzen. Ermöglicht wird diese hohe Auflösung durch maßgeschneiderte Algorithmen zur Datenaufbereitung.

Terahertz-Technologie zur Qualitätskontrolle

Im letzten Prozessschritt der automatisierten Lackierung wird die Qualität überprüft. Für diese Qualitätskontrolle nutzen wir Terahertz-Wellen. Mit dieser von uns entwickelten Technologie können nasse und farbige Lacke berührungslos gemessen werden. Schon während des Lackierens oder auch im Nachgang kann die Qualität der Lackschichten kontrolliert werden. Substrate – die Grundlage der Lackschichten – müssen hierbei nicht metallisch sein, sondern können auch aus anderen Materialien bestehen.
 

Beteiligte Partner und Aufgabenteilung

  • Fraunhofer ITWM: Wir realisieren im Projekt die dreidimensionale Erfassung des Bauteils und die Terahertz-Schichtdickenmessung.
  • Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA:
    Die Forscher vom IPA haben die Projektkoordination inne und unterstützen das Projekt in den Bereichen Lackiersimulation und Lackiertechnik.
  • Fraunhofer-Chalmers Centre for Industrial Mathematics FCC in Göteborg:
    Das Team des FCC entwickelte die schnelle Simulationsmethode, die berechnet, wie die Lacktröpfchen durch die Luft fliegen, wo sie auf dem Objekt landen und welche Schichtdicke dadurch erzeugt wird. Die Pfadoptimierung und Roboteransteuerung gehörte auch zu ihrem Schwerpunkt im Projekt.
  • Nutzfahrzeughersteller John Deere war als Industriepartner am Projekt beteiligt.
Terahertz-Schichtdickenmessung
© Wolfram Scheible
Terahertz-Schichtdickenmessung.

Video: Schichtdickenmessung mit Terahertz

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Video: Ausführliche Zusammenfassung zum Projekt SelfPaint

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