Effiziente Multiskalen-Verfahren für kurzfaserverstärkte Kunststoffe

In industriellen Anwendungen sind Bauteile aus kurzfaserverstärkten Polymerverbundwerkstoffen häufig zyklischen Belastungen ausgesetzt. In einer Kooperation mit Bosch haben wir eine Multiskalen-Simulationsmethode entwickelt, um Einblick in das viskoelastische Verhalten und das Ermüdungsverhalten dieser Bauteile zu erhalten.

Die elastischen und nicht-linearen Materialeigenschaften von Spritzgussteilen hängen stark von der lokalen Faserorientierung ab, die innerhalb des Bauteils kontinuierlich variiert. Aufgrund des hohen Längen-Durchmesser-Verhältnisses der Fasern und des großen Unterschieds zwischen der Makro- und der Mikroskala des Bauteils ist die Auflösung einzelner Fasern nicht möglich. Um dieses Problem zu überwinden und die Wechselwirkung zwischen der Mikrostruktur und dem makroskopischen Verhalten zu erfassen, haben wir eine gekoppelte FEM-FFT-Methode (Finite-Elemente-Methode, Fast-Fourier-Transformation-Methode) auf zwei Skalen verwendet.

Materialmodelle für die Entwicklung digitaler Zwillinge

Der grundlegende Schritt dieser Methode ist die Charakterisierung des mechanischen Verhaltens auf der Mikroskala (siehe auch AIF-Versagen). Gemeinsam mit unserem Projektpartner Bosch untersuchen wir das viskoelastische Verhalten und das Ermüdungs­verhalten von kurzglasfaserverstärkten Thermoplastproben. Unser Projektpartner stellt uns mechanische Messungen und CT-Bilder zur Verfügung, um das Verhalten von Proben mit spezifischen Faserorientierungen zu analysieren. Auf dieser Basis entwickeln wir geeignete Materialmodelle, um digitale Zwillinge des Verbundwerkstoffs im Mikromaßstab der Proben zu erstellen.

 

Zweistufiger Ansatz mit Vollfeldsimulationen und Modellordnungsreduktionen

Wir erarbeiteten einen zweistufigen Ansatz, um den numerischen Aufwand der gekoppelten FEM-FFT-Multiskalen-Methode zu reduzieren. Im ersten Schritt verwenden wir einen hocheffizienten Mikroskalenlöser, unser Softwaretool FeelMath, um Vollfeldsimulationen an repräsentativen Volumenelementen der Mikrostruktur für Probenfaserorientierungen durchzuführen. Mittels Modellordnungsreduktionsverfahren erhalten wir dann effektive Materialmodelle für diese Faserorientierungen und erfassen sie in einer Datenbank. Mit diesem Datenbankkonzept reduzieren wir den numerischen Aufwand drastisch, so dass das Multiskalenverfahren erstmals für industrielle Probleme einsetzbar und für unseren Partner nutzbringend anwendbar ist.

Grafik Faserorientierungsdreieck
© Fraunhofer ITWM
Abbildung 1: Mittels der zwei größten Eigenwerte des Faserorientierungs-Tensors zweiter Stufe (λ 1, λ 2) aufgespann­tes Faserorientierungsdreieck; (C) isotrope, (M) uni­direktionale, (Y) planar isotrope Faserorientierung.
Elektrischer Fensterheberantrieb mit kurzfaserverstärktem Kunststoff-­Gehäuse
© Bosch
Elektrischer Fensterheberantrieb mit kurzfaserverstärktem Kunststoff-­Gehäuse.
FLUID-Spritz­gusssimulation
© Fraunhofer ITWM
Mit einer FLUID-Spritz­gusssimulation ermittelte, lokale Faserorientierungsverteilung des Fensterheber­antriebs-Gehäuses auf dem Finite-Elemente-Netz im Farbcode von Abb.1 dar­gestellt.
Multiskalen-Methode
© Fraunhofer ITWM
Lokale von Mises-Spannungsverteilung, simuliert mit der datenbankbasierten Multiskalen-Methode.