Projekt AnQuC-3: Anwendungsorientiertes Quantencomputing

Quantenvorteil für reale Anwendungen schaffen

Im Projekt AnQuC-3 liegt der Fokus verstärkt auf den Themengebieten »Quantum Fourier Transformation«, »Quanten Maschinelles Lernen« und variationelle Algorithmen. Unser Team am Fraunhofer ITWM konzentriert sich dabei insbesondere auf die ersten beiden Bereiche. 

Seit ein paar Jahren sind die ersten kommerziellen Quantencomputer verfügbar. Obwohl wir uns noch in einer Quanten-Ära befinden, in der viel Lärm und Medienrummel um die neuen Techniken gemacht wird, heißt es realistisch zu bleiben: Die Chance mit Quantencomputern derzeit schwer lösbare Probleme zu beschleunigen scheint verlockend. Wir stellen uns die Frage: Ist die Quanteninformatik ein Wendepunkt für die Zukunft? Wenn ja, für welche Anwendungen und Prozesse genau? Das wollen wir mit unserer Forschung herausfinden. Wir entwickeln, implementieren und testen Algorithmen, die für industrielle Anwendungen auf Hardware-Backends relevant sind. Wir sind Partner von IBM, haben damit Zugriff auf das Fraunhofer IBMQ-System in Ehningen.
 

Drei Phasen treiben Projektentwicklung Quantencomputing voran

Im Zentrum des ersten Projekts AnQuC standen Anwendungen auf dem IBM-Quantencomputer System One, immer mit Blick auf eine breite Erschließung des Quantencomputing. Mit Laufzeitmessungen wurden hybride Algorithmen, die sowohl klassische als auch Quanten-Anteile haben, studiert und die Auswirkungen von charakteristischen Größen wie der Kohärenzzeit und der Fehlerrate von 2-Qubit-Schaltungen auf bestimmte Algorithmen untersucht.

Zentrale Forschungsfragen lauten beispielsweise: Welche Anwendungsszenarien eignen sich für die Berechnung mit einem Quantencomputer? Wie lassen sich Algorithmen dafür entwickeln und in Anwendungen übersetzen?

»Sie haben die Anschubfinanzierung gut genutzt,« betonte Wissenschaftsminister Hoch bei der Bescheidübergabe. In der nächsten Förderphase vertiefen die Forschenden die Arbeitspakete. Dazu gehört auch, weitere Anwendungen zu identifizieren – eine Strategie, die auch der Industrielle Beirat bestärkt. Er besteht aus Vertretenden von BASF, Debeka, der Deutschen Bahn und Schaeffler. 

High Performance Computing

Unser Bereich »High Performance Computing« (HPC) legt den Fokus auf das Wechselspiel zwischen HPC und Quantum Computing. Im Rahmen von AnQuC betrachten wir zum einen das Benchmarking von Quantencomputern und zum anderen Quantenchemiesimulationen. 

Das Benchmarking von Quantenrechnern ist wichtig, um verschiedene Systeme miteinander zu vergleichen und schlussendlich auch um den Weg zum Quantenvorteil zu quantifizieren. Dabei können verschiedene Kenngrößen betrachtet werden. Wir konzentrieren uns insbesondere auf die Laufzeit von Quantenschaltkreisen. Neben den konkreten Messungen im Rahmen von AnQuC arbeiten wir an der DIN SPEC 91480 »Benchmarking von Quantencomputern« mit, um geeignete Metriken und Methoden zu identifizieren.  

Zu den vielversprechendsten Anwendungen im Quantencomputing gehören Quantensimulationen chemischer Systeme unter Verwendung von Verfahren mit Variational-Eigensolvern (VQE). Das Zusammenspiel zwischen der Quantenprozessoreinheit (QPU) und den klassischen Verarbeitungsressourcen ist dabei der Grundgedanke des VQE – wobei die QPU nur für den schwierigen Teil der Berechnungen zum Einsatz kommt, die es ermöglicht, aussagekräftige Ergebnisse aus nicht fehlerbereinigten Quantenrechnungen zu erhalten.

Unsere Forschung zeigt, dass Quantencomputing-Berechnungen zwar qualitativ gut sind, aber vergleicht man sie mit klassischen Ergebnissen, sind sie noch weit davon entfernt genau und zuverlässig zu sein. Weitere Forschung wird zeigen, ob es algorithmische Lösungen gibt, die sich auf die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse auswirken und/oder ob es schwerwiegende Hardwarebeschränkungen gibt, die es verbieten, quantitativ gute Ergebnisse ohne weitere Änderungen der Software- und Hardware-Ressourcen zu erzielen.

Bildverarbeitung 

Im Gebiet des Maschinellen Lernens (ML) mit Quantencomputer haben wir das Quanten Pendant zu dem klassischen künstlichen Neuron, also dem Grundelement Neuronaler Netze, verwendet, um mittels Quantencomputern Kanten in Bildern zu erkennen. Der von uns entwickelte Algorithmus liefert dabei sehr robuste Ergebnisse [1].

Dies gelingt nicht nur auf einem Quantensimulator, sondern auch auf den aktuell noch fehleranfälligen supraleitenden Quantencomputern. Somit ist es der wahrscheinlich erste Quanten-Kantenerkennungsalgorithmus für echte Daten und echte Quantencomputer, der auch für größere Bildgrößen anwendbar ist. Im Vergleich zu existierenden Methoden, benötigt die von uns entwickelte Methode nur wenige Messungen der Quantenzustände, um die Kanten zuverlässig zu erkennen.

Schema für die Kantenerkennung
© Fraunhofer ITWM
Schema für die Kantenerkennung eines 30×30-Musterbildes.

Strömungs- und Materialsimulation

Die numerische Simulation ist ein wichtiges Werkzeug zum Charakterisieren von Verbundwerkstoffen. Wir fokussieren uns auf das Potential von Quantenrechnern, komplexe Materialmodelle schnell und effizient aufzulösen. Hierfür betrachten wir sowohl Verfahren, die langfristig einen Vorteil versprechen – wie die Quantenfouriertransformation (QFT) – als auch heuristische Verfahren, die kurz- bis mittelfristig anwendbar wären – wie variationelle hybride Verfahren.

Die QFT erlaubt es, die klassische Fouriertransformation exponentiell zu beschleunigen. Letzteres ist der Flaschenhals beim Erstellen von Ersatzmodellen für die Multiskalensimulationen von Kompositen. Es ist uns gelungen, kleine Materialsimulationen auf IBM Quantenrechnern durchzuführen. Es gibt aber immer noch offene Fragen, die das Skalieren auf realistische Auflösungen verhindern, wie z.B. den Datentransfer zum Quantencomputer [siehe 1, 2].

Da hybride Verfahren Quantenalgorithmen mit niedrigerer Komplexität verwenden, können mit ihnen größere Probleme gelöst werden. Hierfür haben wir ein einfaches Modell auf IBM Quantenrechnern getestet [siehe 3]. Trotz der Fortschritte haben wir festgestellt, dass auch hybride Verfahren sich noch schwer damit tun, Simulationen auf realistischen Auflösungen durchzuführen. Grund hierfür ist, dass klassische Verfahren und Datenstrukturen sich schlecht für Quantenberechnungen eignen.

Inspiriert von unseren Erkenntnissen, untersuchen wir derzeit neuartige Ansätze zur Quanten-Materialsimulation, wie z.B. Quanten-KI Methoden zur Vorhersage effektiver Materialeigenschaften.

Finanzmathematik

Unsere Aktivitäten in AnQuC beinhalten:

  • identifizieren von Use Cases in der Finanzmathematik
  • übertragen klassischer Finanzmathematik-Verfahren auf die Anwendungen für Quantencomputing (QC)
  • weiterentwickeln von QC-Algorithmen

Wir fokussieren uns dabei vor allem auf die Möglichkeiten von QCs, komplexe Finanzmathematik-Probleme schneller und präziser zu lösen als klassische Computer. Wir untersuchen das automatisierte Finden von QC-Schaltkreisen zur erleichterten Implementierung finanzmathematischer Fragestellungen auf einem Quantencomputer. Dabei werden Methoden der Künstlichen Intelligenz genutzt, um eine möglichst effiziente Berechnung verschiedenster Simulationsprobleme zu ermöglichen. Wir stützen uns dabei auf bereits existierende, so genannte variationelle QC-Algorithmen und passen sie entsprechend unserer Use Cases an.

Optionen sind eine der meistgehandelten Finanzderivate am Markt und ihre risikoneutrale Bewertung ist für viele Finanzinstitutionen essentiell. Eine klassisch sehr aufwendige Methode den Basiswert zu simulieren sind Bewertungsbäume. Wir haben untersucht und gezeigt, das die Berechnung von bestimmten Finanzderivaten auf Bäumen durch QC erheblich beschleunigt werden kann [1]. Um dies zu ermöglichen, haben wir eine neue Art der Payoff-Funktion für QC entwickelt [2].

Risikomaße sind wichtige Kennzahlen die von Finanzinstitutionen genutzt werden, um deren künftige Risiken angemessen bewerten zu können. In vielen Fällen erfolgt die Berechnung solcher Risikomaße mittels zeitintensiver Monte-Carlo Verfahren. Im Rahmen unserer Forschung untersuchten wir, wie die aufwändigen Berechnungen mit Methoden des Quantencomputings beschleunigt werden können. So lässt sich etwa durch Anwendung der Amplitude Estimation, einem QC-Algorithmus zur Schätzung einer unbekannten Amplitude, eine quadratische Reduktion der Berechnungsdauer erreichen [3].

Optimierung

Für die Anwendungsfelder des Bereichs »Optimierung« sehen wir das Potential von Quantencomputern hauptsächlich in spezialisierten Optimierungsalgorithmen und für quantengestützte Methoden des Machine-Learning (ML). Um die  Quantencomputern heute realisierbaren Vorteile dieser Ansätze zu evaluieren, gehen wir verschiedenen Forschungsfragen nach.

Hybride Quantenalgorithmen sind Methoden, bei denen sowohl herkömmliche, digitale Computer als auch Quantencomputer zum Einsatz kommen. Sie können beispielsweise zur Lösung von kombinatorischen Optimierungsaufgaben genutzt werden: Hier steuern klassische Optimierungsverfahren die freien Parameter von Quantenschaltkreisen, sodass das Messergebnis einer optimalen Lösung entspricht. Als alternativen Ansatz untersuchen wir evolutionäre Algorithmen, die neben den Parametern auch die Schaltkreisstruktur modifizieren.

Die Zufälligkeit von Messergebnissen ist eine intrinsische Eigenschaft von Quantensystemen. Zufallszahlen sind auch ein essentieller Bestandteil zahlreicher maschineller Lernverfahren, insbesondere im Bereich von Deep Learning (DL). Daher liegt es nahe, diese beiden Themenkomplexe zu verbinden und zu untersuchen, ob sich Quantenzufallszahlen-generatoren für maschinelle Lernverfahren nutzbar machen lassen. In einer empirischen Studie haben wir zu diesem Zweck eine detaillierte Analyse von Zufallsinitialisierungen neuronaler Netze mit Hilfe von Quantencomputern durchgeführt. Unsere Ergebnisse widerlegen frühere Hypothesen, die einen deutlichen Quantenvorteil vorhergesagt haben.

Mathematik für die Fahrzeugentwicklung

Im Bereich »Mathematik für die Fahrzeugentwicklung« betrachten wir verschiedene Möglichkeiten, Quantencomputer für die Verkehrssteuerung zu nutzen.

Hierfür untersuchen wir insbesondere, ob die Nutzung von hybriden Quantenalgorithmen, wie zum Beispiel dem »Quantum Approximate Optimization Algorithm« (QAOA) oder des »Quantenannealing«, bereits heute Performance-Gewinne im Vergleich zu klassischen Optimierungsmethoden erzielen kann.

 

 

Projektlaufzeit und -förderung

Das Projekt ist auf eine Laufzeit von zwei Jahren angelegt (2022 – 2024) und wird bis zum Jahr 2024 vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz gefördert.

Treffen des industriellen Beirats von »AnQuC –Anwendungsorientiertes Quantencomputing« am 20. März 2024.
© Fraunhofer ITWM
Treffen des industriellen Beirats von »AnQuC –Anwendungsorientiertes Quantencomputing« am 20. März 2024.