Dank Simulation nicht den Kunstoff-Faden verlieren

BMWK-Projekt BiGOFil: Bicomponent fibres Gas Oil Filters

Nicht alle Fasern sind rund. Aber wie schafft man es, dass es trotzdem rund läuft und eine Kunststofffaser z.B. mit einem kleeblattförmigen Querschnitt gesponnen wird? Ein Team unserer Abteilung »Transportvorgänge« entwickelt Simulationsmethoden für solche komplexen Aufgabenstellungen – zum Einsatz kommen dabei unsere etablierten Softwarelösungen MESHFREE und VISPI.

Ein Alltag ohne Kunststofffasern ist heute undenkbar. In nahezu allen Lebensbereichen begegnen sie uns, ob im Ölfilter oder in einer medizinischen Gesichtsmaske aus Vliesstoff – dabei setzen sie sich je nach Funktion unterschiedlich zusammen. Im Kern kommt es aber bei allen auf die Fasern im Kleinen und den Produktionsprozess im Großen an.

Bei Spinnprozessen zur Herstellung von synthetischen Fasern wird geschmolzene oder gelöste Masse durch feine Düsen gepresst und zu Fasern versponnen. Diese werden meist zum Aushärten durch eine Luftströmung geführt. Bekannte Verfahren sind Schmelzspinnen oder Trockenspinnen. Allen gemein: Es ist immer ein anspruchsvoller Prozess, bei dem alle Komponenten optimal zusammenspielen müssen. Deshalb hat unsere Abteilung »Transportvorgänge« bereits Software-Lösungen entwickelt, die den Spinnprozess als digitalen Zwilling virtuell abbilden. Solche Simulationen sparen den Herstellenden kosten- und zeitintensive Experimente, erlauben neue Einblicke und ermöglichen systematische Parametervariationen, die dann beim Produktdesign unterstützen.

BiGOFil: Simulation von Kunststofffasern am Projektbeispiel

Die Arbeit der vergangenen Jahrzehnte hat unsere Forschenden inzwischen zu weltweit führenden Expert:innen auf diesem Gebiet werden lassen. In zahlreichen Projekten wurde modelliert, simuliert und optimiert. So auch im zweijährigen Projekt BiGOFil, das 2022 zum Abschluss kommt. Um beispielsweise feine Öltröpfchen aus einer Luftströmung zu filtern, kommen Koaleszenzfilter zum Einsatz. Wir unterstützen unsere Projektpartner bei der Entwicklung spezieller Bikomponentenfasern, die dem Filter beigemischt werden, um das gesammelte Öl besser abzuleiten. Für die funktionalen Eigenschaften ist besonders die Form der Fasern wichtig, die wir durch das Design der feinen Kapillaren der Spinndüse beeinflussen können.

»Wir greifen auf zwei unserer etablierten ITWM-Werkzeuge zurück und erreichen so eine nie dagewesene Simulationstiefe«, so Dr. Christian Leithäuser, Projektleiter BiGOFil. »Unsere Lösung VISPI simuliert den Spinnprozess im Ganzen. Im nächsten Schritt ist dann unsere Software MESHFREE gefragt. Sie übernimmt die gitterfreien Detailsimulationen einer Einzelfaser. Dabei lassen sich gleich mehrere Bereiche und Eigenschaften in den virtuellen Blick nehmen. Zum Beispiel beeinflusst der Temperaturverlauf die Form und Eigenschaften der fertigen Faser.« Die Erkenntnisse aus dieser Mikrobetrachtung spiegeln die Forschenden dann wieder zurück auf der Makroebene: Wie sieht die Faser in der Simulation aus und wie muss deshalb dann die Düse konstruiert sein?

Neben dem Filter als Produkt entsteht innerhalb des Projektes zudem eine Erweiterung der Simulationssoftware GeoDict unseres Spin-off Math2Market zur Simulation von Koaleszenzphänomenen in Filtern, die als Teil der GeoDict Software implementiert und bereitgestellt wird.

Drei verschiedene BiGOFil-Fasern mit unterschiedlichen Rohstoff-Eigenschaften: Die Grafik zeigt jeweils die Faser beim Ausspinnen aus der Düse und den finalen Faserquerschnitt.
© Fraunhofer ITWM
Drei verschiedene BiGOFil-Fasern mit unterschiedlichen Rohstoff-Eigenschaften: Die Grafik zeigt jeweils die Faser beim Ausspinnen aus der Düse und den finalen Faserquerschnitt.

Ausblick: Neue Herausforderungen durch biobasierte Materialien

Die Portfolio-Erweiterung des ITWM-Teams lässt sich nicht nur auf Kunststofffasern für Filter übertragen, sondern kann in Zukunft auch bei der Herstellung biobasierter Kunststoffe helfen. Die Mehrzahl bisheriger Materialien wird auf Basis von Erdöl hergestellt. Das soll sich ändern. »Eine Alternative sind zum Beispiel Materialien, die teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und/oder biologisch abbaubar sind. Hier sucht die Industrie ständig nach Möglichkeiten, die klassischen Rohstoffe zu ersetzen. Die Verarbeitung dieser neuartigen Materialien ist eine Herausforderung. Dazu sind auch abgewandelte Produktionsprozesse nötig.« Prozesse, bei denen das Team zukünftig sicher auch mit digitalen Zwillingen unterstützen kann.

Unsere Projekt-Partner

Es sind sowohl drei Industrieunternehmen als auch drei Forschungsinstitutionen beteiligt:
 

Industrieunternehmen

Forschungsinstitutionen:

  • Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (ITA)
  • Institut für Strömung in additiv gefertigten porösen Strukturen der Hochschule Heilbronn (ISAPS)

Laufzeit und Förderung

Das ZIM-Projekt (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) lief von Juni 2020 bis Mai 2022 und wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.