Kriminelle Netzwerke: Bekämpfung von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen

BMBF-Projekt

Korruption und Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen verursachen jährlich Schäden von circa 14 Milliarden Euro für die Solidargemeinschaft. Um betrügerische Netzwerke aufzudecken, müssen im Verdachtsfall Massendaten wie E-Mail- oder Telefonverkehr untersucht werden. Das macht die Ermittlungen ressourcenaufwändig und langsam.

Unser Projekt »Kriminelle Netzwerke: Bekämpfung von Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen« forscht an der nachvollziehbaren Identifikation von Auffälligkeiten in Betrugsnetzwerken mittels Künstlicher Intelligenz (KI).

Das Projekt wurde im Zuge der Initiative »Künstliche Intelligenz in der zivilen Sicherheitsforschung« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen. Wir entwickeln dabei für Ermittlungsbehörden und Krankenkassen eine sogenannte »schwache Künstliche Intelligenz«, die Algorithmen zur Detektion von Auffälligkeiten in Betrugsnetzwerken mit dem Domänenwissen der Nutzenden vereint.

»Schwach« heißt die KI deshalb, weil das Ziel dabei nicht ist, menschliche Intelligenz zu ersetzen, sondern mit lernenden Algorithmen zu unterstützen. Eine schwache KI ist nur fähig konkrete Aufgaben zu erledigen, deren Lösung sie zuvor gelernt hat. Gepaart mit Expertise der ermittelnden Personen, hilft der hybride Ansatz die Recherche zu erleichtern.

Machine Learning für Graphentheorie und Zeitreihenanalyse

Die vorliegenden Daten aus Betrugsnetzwerken eignen sich hervorragend für den Einsatz Maschinellen Lernens (ML). Die KI lernt durch Graphentheorie und Zeitreihenanalyse, Auffälligkeiten in einem Kommunikationsnetzwerk (z.B. Mailverkehr eines Unternehmens) zu erkennen. Damit ergänzen wir klassisches Ermittlungsvorgehen durch moderne mathematische Methoden.

Auffälligkeiten in der Abrechnung können zum Beispiel sein, dass Patientenbesuche oder Leistungen abgerechnet werden, die gar nicht stattgefunden haben.

Was heißt das genau?

Die Algorithmen der Softwaretools werden auf Netzwerken aus Knotenpunkten konzipiert. Beispielsweise werden im Projekt Personen eines Ermittlungsfalls als Knoten und der E-Mail-Verkehr zwischen einzelnen Personen als Kanten dargestellt. Ein relativ neuer Ansatz aus dem Zusammenschluss von Graphentheorie und Machine Learning sind sogenannte Graph Neural Networks (GNN). Sie werden bereits bei Suchmaschinen oder Social Media eingesetzt. Denn sie eignen sich besonders gut, um relevante Zusammenhänge oder Beziehungen zu finden. Basis der GNN-Ansätze sind künstliche Neuronale Netze, die das menschliche Gehirn nachbilden. In einem GNN sammeln Knoten Informationen von ihren benachbarten Knoten, zum Beispiel die Häufigkeit von E-Mails zu einem bestimmten Schlagwort zwischen zwei Personen. Auf diese Weise lernt das GNN.

Methoden der Zeitreihenanalyse dagegen betrachten Veränderungen über die Zeit. Zum Beispiel können sie Saisonalitäten erkennen. So kann ein unerwarteter Anstieg an Mails zwischen zwei Personen detektiert werden.

Unsere Expertise und unsere Erfahrungen

Unsere Abteilung »Finanzmathematik« konnte bereits in vielfältigen Projekten Erfahrung in der Detektion von Auffälligkeiten sammeln. Die Bandbreite reicht dabei von Softwaretools für die Verwaltung über Algorithmen für die Prüfung von Handwerks-Rechnungen für einen großen deutschen Chemiekonzern bis hin zu einer seit zwei Jahren etablierte Zusammenarbeit im Bereich Abrechnungsprüfung mit einem deutschen Automobilherstellenden. Alle Projekte umfassen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Mathematiker:innen bzw. Informatiker:innen des Fraunhofer ITWM und den Mitarbeitenden der Partner, die über entsprechendes Domänenwissen verfügen. Angewandte Methoden sind unter anderem

  • regelbasiertes Vorgehen
  • deterministisch-statistische Algorithmen
  • Machine Learning Methoden

Zudem liegen in unserer Abteilung u.a. bereits Forschungsarbeiten zu den Bereichen Zeitreihenanalyse, Clusteranalyse und Imbalanced Learning vor.

Laufzeit des Projektes:

Das Projekt ist am 01.06.2021 gestartet und ist auf drei Jahre angelegt.