Biobasierte Materialien: Wandel in der Kunststofftechnik

Fraunhofer-Leitprojekt »SUBI2MA« (Sustainable Biobased and Biohybrid Materials): Fraunhofer ITWM liefert Simulationen

Mit dem Leitprojekt »SUBI2MA« (Sustainable Biobased and Biohybrid Materials) arbeitet die Fraunhofer-Gesellschaft an einem einzigartigen Ansatz zur Biotransformation der Kunststofftechnik. Wir am Fraunhofer ITWM erforschen und simulieren innovative biobasierte Materialien, die die Kunststofftechnik grundlegend verändern. Mit unserem Beitrag zum Leitprojekt entwickeln wir digitale Abbildungen und Simulationen, die die molekularen Funktionalitäten biobasierter Materialbausteine sichtbar und für die Praxis nutzbar machen.

Gemeinsam mit anderen Fraunhofer-Instituten treiben wir so die Integration biologischer Komponenten in Kunststoffen voran. Es entstehen Materialien, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch nachhaltig sind – bereit für neue Anwendungen und Märkte.

Vielfalt durch modulare Materiallösungen

Der modulare Ansatz bietet eine Vielzahl an Materiallösungen:

  • Neue biobasierte High-Performance-Polymere
  • Bioabbaubarkeit
  • Bio-Flammschutz
  • Hydrophilierung/Hydrophobierung
  • Faser-Matrix-Haftung
  • Erweiterung des Anwendungsspektrums etablierter Polymere

Die Ergebnisse unterstützen die Kunststoff- und Chemieindustrie sowie verarbeitende Branchen wie Bauchemie, Automobilindustrie, Textilchemie oder Gesundheitswesen. Dank digitaler Abbildungen können wir flexibel auf neue Anforderungen reagieren und den Wandel hin zu nachhaltigen Materialien aktiv begleiten.

Drei Schwerpunkte im Projekt

  1. Neue biobasierte Materialien entwickeln
    Wir stellen neue biobasierte Materialien bereit und demonstrieren ihre Potenziale. Dazu entwickeln wir Syntheserouten, erproben Verarbeitungstechnologien, charakterisieren die Materialien und bewerten ihre Eigenschaften praxisnah.
  2. Biohybride Materialien optimieren
    Wir verbessern die Eigenschaften biohybrider Materialien durch gezielte Funktionalisierung. Auch hier begleiten wir Charakterisierung und Evaluation, um die Materialien fit für industrielle Anwendungen zu machen.
  3. Schnelle, nachhaltige Entwicklungswege gestalten
    Wir etablieren Fast-Track-Entwicklungen mit digitaler Unterstützung. Simulationen und eine ganzheitliche ökologische Bewertung helfen uns, Materialien zügig und nachhaltig auf den Markt zu bringen.
Monofilamente, Schäume und Kunststoffgläser aus Caramid
© Fraunhofer IGB
Monofilamente, Schäume und Kunststoffgläser aus Caramid

Unsere Beiträge am Fraunhofer ITWM

Unsere Beiträge sind Demonstratorbeispiele, bei denen Digitale Zwillinge für die Entwicklung der nachhaltigen Materialien zum Einsatz kommen:
 

Industrietauglicher Schmelzspinnprozess für Caramid‑Multifilamente – simulationsgestützt, skalierbar und optimiert

Caramid ist ein biobasierter Hochleistungskunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines industrietauglichen Schmelzspinnprozesses für Caramid-Multifilamente mit einer skalierbaren Prozessführung, die Spinnstabilität und hohe Spinngeschwindigkeiten gewährleistet. Wir bilden dabei sowohl das Spinnpaket als auch den Spinnprozess simulationsgestützt als Digitalen Zwilling ab, um durch Simulationen tiefes Prozessverständnis zu gewinnen und gezielte Optimierungen zu ermöglichen.

Im Ergebnis soll das Zusammenspiel aus Simulation, Prozessentwicklung und innovativer Düsentechnologie eine skalierbare Lösung für die industrielle Fertigung hochwertiger Filamente bieten. In Kooperation mit dem Fraunhofer IAP ist darüber hinaus eine Biko‑Nass-Spinndüse entstanden. Für diese Düsengeometrie wurde eine Schutzrechtsanmeldung eingereicht und eine weitere Optimierung geplant.

Multiskalige Reifensimulation

Ein zentrales Problem bei Reifen ist das sortenreine Recycling: Meist werden Reifen nach Gebrauch verbrannt und wertvolle Materialien gehen verloren. Wir simulieren die funktionalen Schichten eines Reifens auf Milli-Skala und koppeln sie mit der Reifen-Skala über unser Tool »CDTire«.

Unser Ziel: Die herkömmlichen Kunststoffkomponenten, etwa Nylonfilamente in den funktionalen Schichten, durch biobasierte Polymere ersetzen. So schaffen wir die Grundlage für nachhaltigere Reifen.

CDTire/ 3D: Functional layer concept
© Fraunhofer ITWM
Einzelne Schichten eines Reifens
Starke Deformation
© Fraunhofer ITWM
Äußere Krafteinwirkungen führen zur lokalen Kompression der funktionalen Schichten im Reifen.
Relaxationssimulationen des Laminates
© Fraunhofer ITWM
Unter Relaxation kommt es zur Wölbung der funktionalen Schichten – ausgelöst durch die herstellungsbedingte Vorspannung in den Garnen.

Optimale Versuchsplanung – von der Synthese bis zur Produktion

Ob bei der Synthese neuartiger Materialien, der Optimierung von Produkteigenschaften oder der Kalibrierung Digitaler Zwillinge und der Verbesserung von Produktionsprozessen – eines gilt: Experimente sind teuer. In der Praxis führt das oft zu Einschränkungen und Kompromissen bei Effizienz und Innovation. Im Projekt »SUBI2MA« ist Experimentieren unverzichtbar.

Die bei uns am Fraunhofer ITWM entwickelten Software-Tools zur Entscheidungsunterstützung in der Versuchsplanung helfen, die richtigen Versuche zur richtigen Zeit zu wählen – zielgerichtet statt Trial-and-Error. Unsere Algorithmen zur optimalen Versuchsplanung unterstützen die Material- und Prozessentwicklung. Mit wenigen, gut geplanten Versuchen gelingt die Iteration zu schnelleren Syntheserouten, besseren Produkteigenschaften und effizienteren Prozessen.

Simulation von Durchstoßversuchen bei hochbelasteten Geweben

Wir untersuchen Materialien für Airbags oder Schutztextilien, die extremen Belastungen standhalten müssen. Typischerweise kommen hochfeste Kunststoffe wie Aramide oder Nylon zum Einsatz.

Im Projekt testen unsere Forschenden die Belastbarkeit biobasierter Fasern an diesen Extrembeispielen. Die Versuche erfolgen am Fraunhofer IWM in Freiburg, während wir am Fraunhofer ITWM die Versuche simulativ nachstellen und die Ergebnisse digital abbilden. Durch die Verbindung von innovativer Materialentwicklung und fortschrittlicher Simulationstechnik tragen wir am Fraunhofer ITWM maßgeblich dazu bei, die Ziele des Projekts zu erreichen und die Kunststoffindustrie nachhaltig zu transformieren.

Experimenteller Aufbau eines Tiefungsversuchs.
© Fraunhofer IWM
Experimenteller Aufbau eines Tiefungsversuchs.
Versagen einzelner Fasern bei Zugbelastung
© Fraunhofer ITWM
Beim Zugversuch einzelner Fasern und eines Gewebestreifens (graue Kurve) zeigen sich vergleichbare Kraft-Dehnungsverläufe: Die aufgebrachte Kraft steigt mit zunehmender Dehnung ähnlich an. Der Punkt, an dem die Proben reißen (orange Punkte), variiert, sodass sich nur ein Versagensintervall angeben lässt.
Kraft-Weg-Kurven aus Simulation und Experiment
© Fraunhofer ITWM
Die Simulation bildet den Durchstoßversuch präzise ab: Kraft-Weg-Kurven aus Experiment und Simulation stimmen sowohl im Verlauf als auch im Versagenspunkt der Probe (orangefarbener Punkt und blaues Quadrat) überein. Eine Kraft-Weg-Kurve beschreibt, wie sich die aufgebrachte Kraft auf ein Material oder Bauteil im Verhältnis zum verformten Weg (also der Verschiebung oder Dehnung) während eines Versuchs verhält.
Durchgestoßenes Gewebe
© Fraunhofer IWM
Durchgestoßenes Gewebe nach dem Tiefungsversuch