Materialmodelle und Parametrierung für die Kabelsimulation

Kabel- und Schlauchsimulation: Von der Modellparameter-Erfassung bis zur Betriebssimulation

Simulations-Ergebnisse sind immer nur so gut wie die genutzten Modellparameter. Ohne realistische Werte für die mechanischen Eigenschaften der flexiblen Leitungen, kann auch die Simulation keine realistischen Aussagen produzieren. Daher ist es für uns essenziell, nicht nur die Simulationsmethode bereitzustellen, sondern wir sorgen auch dafür, dass die zugrunde liegenden Modellparameter zuverlässig bestimmt werden.

Für die Montagesimulation von Kabeln und Schläuchen entwickeln wir gemeinsam mit der fleXstructures GmbH, IPS AB und dem Fraunhofer-Chalmers Centre das Software-Werkzeug IPS Cable Simulation. Die dafür nötigen Parameter erfassen wir schnell und robust mit unserem Messsystem MeSOMICS®. Steht kein Probenmaterial zur Verfügung, können wir Kabelparameter auch schätzen – besonders effizient in frühen Designphasen.

Neue Ansätze für die Modellierung flexibler Strukturen

In speziellen Anwendungsfällen kann es notwendig sein, komplexere Effekte in Betracht zu ziehen, da sich Kabel und Schläuche in der Realität auch nichtlinear und inelastisch verhalten können.  Deshalb arbeiten wir ständig an neuen Ansätzen der konstitutiven Modellierung für flexible schlanke Strukturen. Dazu gehören etwa:

  • bleibende plastische Verformungen
  • nichtlineares Verhalten und gekoppelte Lastfälle in 3D
  • Kabel-Parametrierung für Betriebssimulationen

Die dazugehörigen Kabeltests zur Untersuchung komplexen Verhaltens entwickeln wir auf Basis von klassischen Balkenexperimenten aus der experimentellen Mechanik.

Kabelbündel
© Fraunhofer ITWM
Kabelbündel

Effiziente Schätzung von Modellparametern in frühen Designphasen

In automobilen Anwendungen werden Kabel nur selten einzeln, sondern überwiegend in Bündeln verlegt. Die Kombinationsmöglichkeiten sind hierbei aufgrund der Variantenvielfalt in der Ausstattung von PKW fast unendlich, bestimmen aber das mechanische Verhalten des Kabelbündels. Mit dem von uns entwickelten Bundle Properties Estimator (BPE) lassen sich die Parameter solcher Bündel bereits in frühen Entwicklungsphasen schätzen – auch ohne Hardwareprototypen. Das Tool ergänzt IPS Cable Simulation und benötigt dafür nur wenige, leicht zu bestimmende Eingabedaten.

Bleibende plastische Verformungen

Kabel verhalten sich unter großen Verformungen meist nicht elastisch. Dieses Phänomen kennen die meisten aus dem Alltag von bleibenden Knicken in Kabeln. Im Automobilbereich werden diese Effekte relevant, wenn Leitungen während der Montage oder im Betrieb beispielsweise stark gebogen werden. Wir untersuchen deshalb das Verhalten von Kabeln und Schläuchen unter großen Deformationen in Experimenten und entwickeln inelastische Kabelmodelle, die beispielsweise plastisches Verhalten in Form von Hysteresen abbilden können. Hysteresen beschreiben, dass die Reaktion des Kabels nicht nur vom aktuellen Zustand, sondern auch von seiner bisherigen Belastung abhängt.

Nichtlineares Verhalten und gekoppelte Lastfälle in 3D

Wir erforschen, wie Kabel auf große Biege- und Torsionsdeformationen im dreidimensionalen Raum reagieren, die zu nichtlinearem Verhaltenführen. Dabei betrachten wir auch die Kopplung verschiedener Lastfälle , um zu verstehen, wie Vordeformationen durch Torsion das Biegeverhalten beeinflussen. Diese Effekte sind entscheidend für Simulationen, bei denen die Genauigkeit der Kräfte und Momente, zum Beispiel auf Befestigungselemente, eine zentrale Rolle spielt.

mehr zu »Wechselwirkung von Leitungen mit flexiblen Clips und Haltern«

Kabel-Parametrierung für die Betriebssimulation

Leitungen sind im Betrieb häufig Schwingungen ausgesetzt. Deshalb untersuchen wir zeitabhängige Materialeffekte wie Dämpfung und Viskoelastizität. Wir simulieren die Schwingungen von Kabeln für die Bauraumauslegung, berechnen die Lasten auf Befestigungen und analysieren die Geräusch- und Vibrationsübertragung in NVH-Untersuchungen. NVH steht für Noise, Vibration, and Harshness – also Geräusch, Vibration und Rauigkeit/Schwingungsempfinden.

mehr zu »Schwingungsdynamik und NVH für Kabel und Schläuche«

Kabelexperimente zur Untersuchung komplexer Effekte

Die Beobachtung auftretender Effekte in passenden Experimenten ist die Grundlage konstitutiver Modellierung. Wir entwickeln deshalb Versuche, die speziell für die Untersuchung von Kabeln und Schläuchen unter realitätsnahen Lasten geeignet sind und über Standardversuche der experimentellen Balkenmechanik hinausgehen. Forschungsprotoypen unserer Messmaschine MeSOMICS® ermöglichen uns beispielsweise die Untersuchung der Biegung von Kabeln im nichtlinearen Bereich.

Darüber hinaus nutzen wir einen Versuchsstand, bei dem ein Roboterarm Leitungen im Raum verformt. So lassen sich verschiedene Randbedingungen, unter anderem gekoppelte Deformationen, erzeugen und die resultierenden Lasten messen. Eine Kamera dokumentiert die Verformungen, und die Kopplung mit IPS Cable Simulation erlaubt den direkten Vergleich von realen und simulierten Proben.

Im Raum verformtes Kabel auf dem Roboterversuchsstand.
© Fraunhofer ITWM
Im Raum verformtes Kabel auf dem Roboterversuchsstand.

Projekte

 

Projekt »UrWerk«

Im MAVO-Projekt »UrWerk« entwickeln wir unternehmensspezifische Datenräume im Bereich der Werkstoffe zur beschleunigten Produktentwicklung.

 

Projekt »ProP4CableSim«

Im Projekt »ProP4CableSim« beschäftigen sich unsere Forschenden mit der Vorhersage der elastischen Eigenschaften von Kabelsystemen. 

 

Projekt »THREAD«

Im Rahmen des von der EU-Promotionsprogramms arbeiten 14 Nachwuchswissenschaftler:innen an zwölf Unis und Forschungseinrichtungen aus acht europäischen Ländern. Unser Institut sitzt an zentraler Stelle mit im Boot.