Digitale Zwillinge für eine effiziente und nachhaltige Produktion

Unsere Modellierungsplattform »RAPIDZ« – Ressourcenanalyse und Prozessintegration durch Digitale Zwillinge

Wir am Fraunhofer ITWM entwickeln mit »RAPIDZ« ein Werkzeug, das Digitale Zwillinge direkt in der Produktion einsetzt. Mit unseren virtuellen Modellen physischer Systeme beobachten und steuern wir Materialflüsse, Energieverbrauch und Maschinenleistung in Echtzeit. So helfen wir Unternehmen, ihre Produktionslinien effizienter zu gestalten, flexibel auf Änderungen zu reagieren und Ausfälle durch gezielte Wartung zu vermeiden. 

Digitale Zwillinge bieten enorme Chancen, ihre Einführung ist jedoch oft aufwendig und erfordert viele unbekannte Kennwerte, wie Materialparameter. Mit »RAPIDZ« machen wir es Unternehmen leichter, Digitale Zwillingen in der Produktion einzusetzen und überwinden diese Hürden durch einen modularen Aufbau. Unsere Digitalen Zwillinge bilden physische Produktionssysteme mathematisch ab und werden kontinuierlich mit Echtzeitdaten von Sensoren und IoT-Geräten gespeist. So schaffen wir Transparenz über Anlagenzustände, Produktivität, Energieeinsatz und Emissionen und erhöhen die Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Effectiveness, OEE).  

Technischer Aufbau von Produktionslinien im Digitalen Zwilling

Auch wenn jede Produktionslinie individuell aufgebaut ist, teilen alle eine grundlegende Struktur. Wir verstehen sie als eine Verkettung von Maschinen, die klar definiert miteinander verbunden sind, manchmal linear, manchmal verzweigt. Am Anfang stehen Rohstoffe oder Vorprodukte, die von der ersten Maschine aufgenommen und Schritt für Schritt weiterverarbeitet werden. 

Diese generische Struktur bildet die Basis, auf der wir unsere Digitalen Zwillinge mit »RAPIDZ« entwickeln und die Prozesse virtuell nachbilden.

Jede Maschine, jeder Übergang und jeder Materialfluss wird als Modul erfasst und in den Digitalen Zwilling integriert. So entsteht ein flexibles Modell, das sich an unterschiedliche Produktionsumgebungen anpassen lässt. Unser Ansatz geht dabei über die reine Maschinenlogik hinaus: Wir integrieren physikalische Eigenschaften, betriebliche Kennwerte und Datenströme.

Gesamtanlageneffektivität und Ressourcenoptimierung

So können wir Prozesse simulieren, analysieren und verbessern, bevor Änderungen in der realen Produktion umgesetzt werden. Unsere Digitalen Zwillinge lassen sich in zahlreichen Schwerpunkten einsetzen. Was heißt das in der Praxis?

  • Echtzeit-Überwachung für störungsfreie Abläufe: Wir sammeln kontinuierlich Daten von Maschinen und Produktionslinien. So erkennen wir Engpässe und Störungen frühzeitig und sichern die Verfügbarkeit der Anlagen.
  • Vorhersagen treffen für bessere Produktionsentscheidungen: Durch Simulation verschiedener Szenarien zeigen wir, wie sich Änderungen auf Durchsatz und Ressourceneinsatz auswirken. Unternehmen treffen so Entscheidungen fundierter und planen Abläufe besser.
  • Leistung der Produktion optimieren: Mit datenbasierten Algorithmen bestimmen wir optimale Produktionsgeschwindigkeiten, passen Prozesse an und planen Wartungen, um die Gesamtanlageneffektivität zu steigern.
  • Produktqualität kontinuierlich sichern: Wir überwachen kontinuierlich die Produktqualität. Abweichungen erkennen wir früh, sodass Firmen schnell Maßnahmen ergreifen können, um Produkte zu verbessern.
  • Nachhaltigkeit und Energiemanagement verbessern: »RAPIDZ« berücksichtigt aktuelle Betriebsdaten, Strompreise, Wettervorhersagen und vertragliche Vorgaben. So helfen wir, Energieverbrauch und Emissionen zu optimieren, lokale Erzeugung und Speicher effizient einzusetzen und die Produktion nachhaltig zu gestalten.

Anwendungsbeispiele für Digitale Zwillinge in der Praxis – Getränke abfüllen oder Fließbandarbeit

In »RAPIDZ« beschreiben wir jede Maschine mit einem betriebspunktabhängigen »Rezept«. Wir wissen, wie viel Vorprodukt in ein Zwischenprodukt einfließt, wie lange die Verarbeitung dauert und welche Zeiten beim Anfahren, Abfahren oder beim Wechsel zwischen Betriebspunkten entstehen. Ein Abfüller für Getränke braucht beispielsweise eine Flasche vom Fließband, einen Liter Getränk, einen Schraubdeckel und eine bestimmte Laufzeit, um ein einzelnes Produkt fertigzustellen.

SCADA-Oberfläche einer Simulation einer Getränkeabfüllanlage umgesetzt mit »RAPIDZ«.
© Fraunhofer ITWM
Simulation einer Getränkeabfüllanlage mit »RAPIDZ«: Die SCADA-Oberfläche zeigt, wie sich Produktionsprozesse in Echtzeit überwachen und steuern lassen.

Auch Transportsysteme wie Fließbänder oder Stapler lassen sich in »RAPIDZ« modellieren. Sie verarbeiten das Produkt nicht direkt, bestimmen aber die Transportzeiten – abhängig von Geschwindigkeit oder Takt. Damit integrieren wir nicht nur die Produktion selbst, sondern auch die entscheidenden Logistikprozesse in den Digitalen Zwilling.

Neben den Produktionsmaschinen erfassen wir auch Hilfsanlagen, die nicht linear in der Fertigung stehen, sondern mehrere Maschinen umschließen. Das kann physisch der Fall sein – etwa bei Reinräumen – oder rein logisch wie bei einer gemeinsamen Strom- oder Druckluftversorgung. Wir setzen Hilfsanlagen in einer standardisierten Struktur um. An jede Komponente können beliebig viele Maschinen angebunden werden, die Daten und Zustände austauschen. So sammelt eine Klimaanlage zum Beispiel die Abwärme und Feuchtigkeit aller angeschlossenen Maschinen und gibt im Gegenzug die resultierende Temperatur und Luftfeuchtigkeit an sie zurück, abhängig von der eigenen Leistung.

Modellprädiktive Regelung für effiziente Produktionslinien

In Produktionslinien hängen Maschinen oft direkt voneinander ab. Fällt eine Komponente aus, beeinflusst das sofort alle nachfolgenden Schritte. Mit »RAPIDZ« können wir solche Abhängigkeiten im Digitalen Zwilling abbilden und Szenarien durchspielen: Fahren wir weiter bis zum Rückstau oder passen wir den Betriebsmodus frühzeitig an? So lassen sich energieeffizientere oder anlagenschonendere Strategien entwickeln. Durch modellprädiktive Regelung (Model Predictive Control, MPC) simulieren wir Reglerentscheidungen direkt am Digitalen Zwilling, bewerten ihre Effekte und geben die optimale Einstellung als Assistenzempfehlung oder direkt an die Maschinen weiter.

Konzept für die verteilte Regelung mittels unserer Modellierungsplattform »RAPIDZ«
© Fraunhofer ITWM
Konzept für die verteilte Regelung mittels unserer Modellierungsplattform »RAPIDZ«

Optimierte Betriebsmodi durch modulare Struktur

Dank des modularen Aufbaus von »RAPIDZ« lassen sich Regler nicht nur zentral, sondern auch auf einzelne Maschinen verteilen – die Ziele der Gesamtanlage bleiben dabei erhalten. Wir können unterschiedliche Optimierungsziele berücksichtigen, etwa Ausschussquoten, Produktqualität oder Ressourcenkosten. So weisen wir jedem Produktionsschritt konkrete Kosten und Qualitätskennwerte zu und finden den Betriebsmodus, der die gesamte Linie am effizientesten, nachhaltigsten und wirtschaftlichsten macht.

Energieverbrauch und Anlagenbetrieb intelligent steuern

In »RAPIDZ« bilden wir auch die Energieversorgung modular ab. Für jeden Betriebsmodus erfassen wir die durchschnittlichen Verbräuche, die meist bekannt oder messbar sind. Statt Anlagen bei Lastspitzen einfach zu stoppen oder Hochlastzeiten pauschal zu meiden, binden wir zusätzliche Informationen wie Wetterprognosen, Strompreise oder vertragliche Grenzwerte ein. So wird Energiemanagement und Nachhaltigkeit zu festen Bestandteilen des Produktionsbetriebs.

Mit demselben Prinzip integrieren wir Emissionen wie Abwärme, Feinstaub oder CO₂ in den Digitalen Zwilling. Unternehmen erhalten damit eine präzise Grundlage, um ihre Produktion an gesetzlichen Vorgaben auszurichten und nachhaltiger zu gestalten. »RAPIDZ« verbindet so die Optimierung von Energieeinsatz und Ressourcennutzung mit der Reduktion von Emissionen.