Smarte Textilien digital weiterentwickeln – Herausforderungen bei Gestricken

Projekt »SoSeTex«: Simulationsgestützte Optimierung gestrickter Strukturen für robuste und komfortable E-Textiles

Elektronische Textilien (E-Textilien) kombinieren klassische textile Strukturen mit elektrischen Komponenten und bilden so einen typischen Bereich der »Smart Textiles«. Durch eingearbeitete leitfähige Garne, Sensoren und Aktuatoren gewinnen Kleidungsstücke neue Funktionen – sie können aktiv wärmen, sportliche Leistungen messen oder medizinische Daten erfassen. Im Projekt »SoSeTex« erforschen wir gemeinsam mit einem Team des Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, wie sich die mechanische Belastbarkeit elektronischer Textilien mithilfe digitaler Simulationen gezielt verbessern lässt.

Gerade bei gestrickten E-Textilien sind die elektrischen Bauteile hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Beim An- und Ausziehen oder während des Waschens drohen Beschädigungen, die die Funktion beeinträchtigen. Reparaturen sind aufwendig, und ein sortenreines Recycling ist aufgrund der integrierten Elektronik kaum möglich. Deshalb erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie sich die Strukturen von E-Textilien so gestalten lassen, dass sie langlebiger und nachhaltiger werden – sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch.

Fraunhofer-Projekt »SoSeTex«

Im Projekt »SoSeTex« arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Textilingenieur:innen des Fraunhofer IZM in Berlin und unsere Mathematiker:innen des Fraunhofer ITWM aus Kaiserslautern daran, ein digitales Tool zu entwickeln, das die mechanische Belastbarkeit von E-Textilien bewertet und optimiert. Hierbei kommt die bei uns am Fraunhofer ITWM entwickelte Software-Lösung »TexMath« zum Einsatz. Sie ermöglicht es, die Prototypisierungsphase deutlich zu verkürzen und die Zahl physisch hergestellter Textilmuster zu reduzieren.

Projektablauf

Mechanische Tests:
In »TexMath« werden die Dehnungsprozesse gestrickter E-Textilien virtuell abgebildet. So lässt sich das Rechenmodell kalibrieren und validieren.

Materialoptimierung:
Gestrickte Strukturen werden auf Abriebfestigkeit und Reißverhalten elektrisch leitender Garne untersucht. Um hohe Dehnbarkeit der elektrischen Leiter zu erreichen, kommen häufig beschichtete Garne zum Einsatz – doch Reibung kann die Beschichtung mit der Zeit abtragen und die Leitfähigkeit mindern. Die Simulation zeigt: Durch gezielte Wahl von Strickmuster und Garnstärke lässt sich die mechanische Belastung empfindlicher Leiter deutlich reduzieren.

Robuste Verbindungen:
Schweißpunkte und Übergänge zwischen leitenden Garnen und Platinen gelten als besonders empfindlich und als kritische Stellen bei E-Textilien. Lokale textile Verstärkungen in der Nähe der Platinen und entlang der Leiterbahnen erhöhen die Stabilität. Diese Anpassungen erfolgen vollständig virtuell – ganz ohne physische Prototypen.

Vergleich zwischen realem Zugexperiment und Simulation
© Fraunhofer IZM / Fraunhofer ITWM
Die Abbildung zeigt den Vergleich zwischen realem Zugexperiment und Simulation. Die Farben markieren die wirkenden Kräfte auf die Garne (Grün = niedrig, Rot = hoch). Bereits hier wird deutlich, dass die leitenden Garne im Ursprungsdesign besonders stark belastet sind.

Langlebigkeit im Fokus

Mit »SoSeTex« entsteht ein wichtiger Baustein für die Entwicklung langlebiger, funktionsstarker E-Textilien. Durch den Einsatz innovativer digitaler Tools verbessern wir die Qualität und Lebensdauer dieser intelligenten Textilien und tragen somit einen Beitrag zu einer nachhaltigen Textilindustrie bei. 

Beispiel: Vergleich der Garnbelastung im Zugexperiment und Simulation

In einem Zugexperiment sowie in der begleitenden Simulation wurde die mechanische Belastung der Garne in gestrickten E-Textilien untersucht und bewertet. Die Kräfte, die auf die einzelnen Garne wirken, wurden dabei mithilfe einer Farbskala dargestellt: Grün steht für geringe und Rot für hohe Belastungen. So wird sichtbar, wie stark oder schwach die verschiedenen Garne beim Dehnen beansprucht werden. Besonders deutlich zeigt sich, dass die leitenden Garne im ursprünglichen Design deutlich stärker belastet sind als andere. Diese ungleiche Verteilung der Belastung kann zu vorzeitigem Materialversagen und einer verkürzten Lebensdauer führen. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für gezielte Designoptimierungen, um die Belastung besser und gleichmäßiger auf alle Garne zu verteilen, die mechanische Stabilität zu erhöhen und die Funktionalität der leitfähigen Komponenten langfristig sicherzustellen.
 

Partner

Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Zugbelastungen bei unterschiedlichen Strickdesigns
© Fraunhofer ITWM
Die Bilder zeigen die Zugbelastungen bei unterschiedlichen Strickdesigns. Blaue Garne: Strickgarne (für die Betrachtung hier nicht relevant) Rote Garne: hohe Belastung auf den leitenden Garnen Grüne Garne: geringe Belastung auf den leitenden Garnen. Ziel der Optimierung ist, die elektrischen Garne möglichst wenig zu belasten, ohne das Textil unnötig zu versteifen.

Beispiel: Verringerung der mechanischen Belastung an Schweißpunkten

Ein zentrales Ziel im Projekt »SoSeTex« ist es, besonders empfindliche Stellen in E-Textilien – wie Schweißpunkte zwischen leitfähigen Garnen und Platinen – mechanisch zu entlasten. Anhand digitaler Simulationen wurden verschiedene Verstärkungsdesigns untersucht, um die Belastung an diesen kritischen Punkten zu minimieren.

Abbildung A zeigt den Vergleich zwischen experimentellen Prototypen und ihren digitalen Zwillingen. Die Farben im Digitalen Zwilling markieren unterschiedliche Garntypen. In Variante 1 verlaufen die Leiterbahnen ohne zusätzliche Verstärkung direkt im normalen Gestrick, während in Variante 2 eine schmale Verstärkungszone aus dickerem Garn um die Leiterbahnen eingestrickt ist. Variante 3 erweitert diese Verstärkung zu einer breiteren Zone. Die Farbmarkierungen im Digitalen Zwilling machen deutlich, welche Garntypen jeweils verwendet wurden.

Die anschließenden mechanischen Simulationen in Abbildung B zeigen die Biegeverformung des Textils unter Eigengewicht – sowohl in Draufsicht (linke Spalten) als auch in Seitenansicht (rechte Spalte). Dabei wird sichtbar, dass die Spannungen entlang der Leiterbahnen durch die Verstärkungszonen deutlich reduziert werden können. Besonders in der breit verstärkten Variante (3) sinken die Belastungsspitzen an den Schweißpunkten spürbar. Diese Erkenntnisse ermöglichen gezielte Anpassungen im Textildesign, um empfindliche Verbindungsstellen robuster zu gestalten – ganz ohne physische Prototypen. So trägt die digitale Simulation entscheidend zur Verbesserung der Lebensdauer und Funktionssicherheit von E-Textilien bei.

Vergleich zwischen experimentellen Prototypen und ihren Digitalen Zwillingen
© Fraunhofer IZM / Fraunhofer ITWM
Abbildung A: Experimentelle und virtuelle Prototypen
Simulation stellt die Biegung des Textils unter Eigengewicht dar
© Fraunhofer ITWM
Abbildung B: Verformung unter Biegelast

Projektförderung und Laufzeit

Das Projekt »SoSeTex« lief von Oktober 2021 bis September 2024. Es ist als SME-Projekt innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft angesiedelt. SME steht für »Small and Medium-sized Enterprises«, also kleine und mittlere Unternehmen. Die Förderung unterstützt die Zusammenarbeit mit KMU.