Zerstörungsfreies Prüfen mit FMCW-Terahertz für industrielle Anwendungen

Von der Schichtdicke bis zur Tiefenstruktur: Durchblick mit Frequenzmoduliertem Dauerstrichverfahren

In der Terahertz-Prüftechnik kommen Verfahren aus der Radartechnik zum Einsatz, um Objekte zerstörungsfrei zu durchleuchten und dreidimensional darzustellen. Eine bewährte Methode ist das FMCW-Verfahren (Frequency-Modulated Continuous-Wave). Es ermöglicht die hochaufgelöste Erfassung der inneren Struktur von Materialien.

Ob hohlleiterbasiert, chipintegriert oder photonisch – FMCW-Radarsysteme bieten für unterschiedlichste Messaufgaben passgenaue Lösungen. Je nach Technologie lassen sich Proben effizient, hochauflösend und flexibel prüfen – von Millimeterstärken bis zu dünnsten Schichten im Mikrometerbereich.

So funktioniert FMCW-Terahertz-Radar

Das Grundprinzip beruht auf der Messung der Laufzeit von ausgesendeten Terahertz-Signalen. Diese werden vom Prüfobjekt oder von Materialübergängen im Inneren reflektiert und anschließend vom Messsystem aufgenommen. Aus der Signallaufzeit lässt sich die Entfernung bestimmen – und bei durchlässigen Materialien wird so eine präzise 3D-Rekonstruktion möglich.

Da es sich bei Terahertz-Strahlung um elektromagnetische Wellen handelt, welche sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, sind die auftretenden Signallaufzeiten sehr klein und nur schwer direkt messtechnisch zu erfassen. Das FMCW-Verfahren löst dieses Problem, indem es die Laufzeitinformation in eine Frequenzverschiebung übersetzt. Diese Frequenzänderung kann deutlich präziser erfasst werden. In der folgenden Abbildung ist der schematische Aufbau skizziert.

Schematische Aufbau eines Terahertz FMCW-Radars
© Fraunhofer ITWM
Schematische Aufbau eines Terahertz FMCW-Radars

DAQ = Datenerfassung, FG = Funktionsgenerator, VCO = Spannungsgesteuerter Oszillator, xFM = Frequenzvervielfacher, PA = Leistungsverstärker,
HA = Hornantenne, DUT = Prüfobjekt, sT(t) = Abgestrahltes Signal, sR(t) = Empfangenes Signal, sM(t) = Mischersignal

Prinzip eines Terahertz-FMCW-Systems

Der schematische Aufbau zeigt den Kern des Verfahrens: Ein Rampengenerator erzeugt eine lineare Frequenzrampe mit definierter Dauer (Tₛ) und Bandbreite (B). Ein Teil dieses Signals wird als Messsignal über einen Sender ausgestrahlt, der andere Teil dient als stabiles Referenzsignal ​ innerhalb des Messgeräts.

Die Verzögerung des Empfangssignals gegenüber dem Referenzsignal ​ wird mit τd bezeichnet. Sie ist direkt proportional zum Abstand zwischen dem Messsystem und der reflektierenden Struktur im Prüfobjekt. Nach dem Empfang wird das reflektierte Signal im Mischer mit dem Referenzsignal überlagert. Dabei entsteht ein niederfrequentes Mischsignal, das tiefenaufgelöste Informationen über die innere Struktur liefert.

Das Mischsignal kann durch eine schnelle Datenerfassung (DAQ) aufgezeichnet und anschließend digital weiterverarbeitet und ausgewertet werden.

Messprinzip eines Terahertz FMCW-Radars
© Fraunhofer ITWM
Messprinzip eines Terahertz FMCW-Radars

Im FMCW-Radar wird die Signallaufzeit nicht direkt, sondern über eine Frequenzmessung ermittelt. Mit moderner Signalverarbeitung und einer Fourier-Transformation kann die ursprüngliche Laufzeit rekonstruiert und als Entfernungsinformation für die volumetrische Vermessung von Prüfobjekten eingesetzt werden.

Technologische Umsetzung: Drei Ansätze für FMCW-Terahertz- und Millimeterwellen-Radar

Für die praktische Anwendung der FMCW-Technologie setzen wir auf drei verschiedene technologische Lösungen.

1. Hohlleiterbasierte FMCW-Systeme

Bei diesem Ansatz werden hohlwellenleiterbasierte, vollelektronische Bauteile genutzt. Sie übernehmen:

  • die Signalerzeugung (z. B. mit spannungsgesteuerten Oszillatoren)
  • die Frequenzvervielfachung und Verstärkung (z. B. durch diodenbasierte Multiplier, Mischer oder Verstärker)
  • sowie die Aussendung und den Empfang (z. B. über Richtkoppler und Hornantennen).

Der Vorteil: Es lassen sich hohe Sendeleistungen erzielen. Der Nachteil: Hohlleiter sind auf bestimmte Frequenzbänder begrenzt – dadurch bleibt die Bandbreite eingeschränkt. Typischerweise werden so Frequenzen bis etwa 500 GHz abgedeckt.

2. Vollintegrierte Chiptechnologie

Dank moderner Halbleitertechnologien (wie Indiumphosphid, Silizium-Germanium oder Galliumarsenid) lassen sich heute hochintegrierte »on-chip«-Lösungen für Hochfrequenzschaltungen entwickeln. Bei diesen Systemen erfolgt Signalerzeugung, -vervielfachung und -verstärkung ohne Hohlleiter. Das eröffnet große Potenziale für die Miniaturisierung und eine kostengünstige Serienfertigung. Allerdings sind die erzielbaren Bandbreiten und Signalleistungen derzeit noch geringer als bei Hohlleitersystemen. Aktuelle vollintegrierte FMCW-Radarchips für den Terahertz-Bereich arbeiten bis rund 300 GHz.

3. Photonisches FMCW-Radar

Um die Bandbreitenbeschränkungen klassischer Wellenleiter zu umgehen, wird ein photonischer Ansatz genutzt. Hier kommen Laser zum Einsatz, die sich über einen großen Frequenzbereich durchstimmen und über Glasfasern übertragen lassen.

Das Schema eines fasergekoppelten photonischen FMCW-Radars mit optischem Aufbau für einen kollinearen Strahlengang zeigt die folgende Abbildung. Zwei CW-Diodenlaser (Continuous Wave, also Dauerstrichbetrieb) erzeugen durch Überlagerung ein Schwebungssignal im Terahertz-Bereich – dessen Frequenz entspricht der Differenzfrequenz der Laser. Für den FMCW-Betrieb wird ein schnell durchstimmbarer Laser zusammen mit einem Festfrequenzlaser verwendet. So lässt sich die Mittenfrequenz des Laserschwebungssignals in einem Bereich von etwa 4,5 THz frei einstellen. Frequenzrampen über 2 THz ermöglichen dabei eine Tiefenauflösung von unter 100 µm.

Photonisches FMCW-Radarkonzept
© Fraunhofer ITWM
Photonisches FMCW-Radarkonzept

DAQ = Datenerfassung, SL = Durchstimmbarer Laser,  FFL = Festfrequenzlaser, OA = Optischer Verstärker, PCA = Photoleitende Antrenne,
Rx = Empfänger, Tx = Sender, DC = Spannungsversorgung, TIA = Transimpedanzverstärker, DUT= Prüfobjekt , sT(t) = Abgestrahltes Signal,
sR(t) = Empfangenes Signal, sM(t) = Mischersignal

Photonisches FMCW-Radar: Verstärkung und Detektion

Das überlagerte optische Signal wird in einen optischen Verstärker eingespeist, um sowohl einen Terahertz-Emitter (Tx) als auch einen Terahertz-Detektor (Rx) zu betreiben. Das Terahertz-Signale werden jeweils über eine Silizium-Linse aus- und eingekoppelt.

Das empfangene Echosignal wird anschließend mit dem Laserschwebungssignal gemischt. Das Ausgangssignal des Mischempfängers wird von einer schnellen Datenerfassungseinheit (DAQ) weiterverarbeitet.

Entfernungs- und Tiefenauflösung von FMCW-Systemen

Ein Schlüsselfaktor für jeden FMCW-Radarsensor ist die Entfernungs- oder Tiefenauflösung. Sie beschreibt die Fähigkeit, zwei Reflektoren in unterschiedlichen Abständen klar zu unterscheiden.

Bei einem FMCW-Radar hängt diese von der Frequenzbandbreite B ab und kann anhand der folgenden Gleichung (3-dB-Kriterium) berechnet werden: 

wobei

  • 𝛿r die Entfernungsauflösung ist
  • cdie Lichtgeschwindigkeit im Vakuum darstellt

So ergeben sich beispielsweise folgende Entfernungsauflösungen für typische, von uns eingesetzte FMCW-Systeme:

Technologie Vollelektronisches Millimeterwellen FMCW-Radar Photonisches Terahertz FMCW-Radar
Anzahl der Kanäle 1 skalierbar, aktuell 8 Kanäle realisiert
Messzeit pro Pixel 250 µs für komplette Frequenzrampe 2 ms für eine Frequenzrampe von 1 THz
Dynamikbereich > 50 dB tbd
Frequenzbände

60 - 110 GHz

110 - 170 GHz

230 - 320 GHz

variabel im Bereich

von 10 GHz bis 1,5 THz

Laterale Auflösung 

mit Brennweite 100 mm

3 mm

2 mm

1 mm

1 - 3 mm, frequenzabhängig

Tiefenauflösung δr

Brechungsindex

n = 1

3,8 mm

3,2 mm

1,7 mm

100 µm bis mm, bandbreitenabhängig

Bandbreite und Signalform

Da die Bandbreite technischer FMCW-Systeme immer begrenzt ist, erscheint die Zeitbereichsantwort einer reflektierenden Fläche nicht als schmale Deltafunktion. Stattdessen weist sie in erster Näherung eine ausgedehnte sinc-Form auf.

Die folgende Abbildung zeigt anschaulich, wie stark die Bandbreite die Auflösung des Messsignals beeinflusst.

Bandbreitenabhängige FMCW-Messsignale zweier Kunststofffolien unterschiedlicher Dicke (807 µm)
© Fraunhofer ITWM
Bandbreitenabhängige FMCW-Messsignale zweier Kunststofffolien unterschiedlicher Dicke (807 µm)
Bandbreitenabhängige FMCW-Messsignale zweier Kunststofffolien unterschiedlicher Dicke (186 µm)
© Fraunhofer ITWM
Bandbreitenabhängige FMCW-Messsignale zweier Kunststofffolien unterschiedlicher Dicke (186 µm)

Entfernungsauflösung versus Entfernungsmessgenauigkeit

Bei FMCW-Radarsystemen ist es wichtig, zwischen Entfernungsauflösung und Entfernungsmessgenauigkeit zu unterscheiden:

  • Entfernungsauflösung (δᵣ) beschreibt die Fähigkeit des Systems, zwei hintereinanderliegende, reflektierende Grenzflächen zu unterscheiden. Liegt der Abstand zweier Defekte unterhalb der Entfernungsauflösung, können diese nicht mehr eindeutig voneinander getrennt werden.
  • Entfernungsgenauigkeit bezeichnet dagegen die Präzision, mit der die Entfernung einer einzelnen Reflexion bestimmt werden kann. Diese Genauigkeit ist in der Regel deutlich höher als die nominelle Auflösung, da moderne Signalverarbeitungsverfahren wie Nullpunktauffüllung (Zero-Padding) oder die Auswertung der Phaseninformation des komplexen FMCW-Signals genutzt werden.

Weitere Informationen zum Thema Auflösung in Terahertz-Aufnahmen finden Sie hier.

Auswertung von FMCW-Signalen

Für die Auswertung von FMCW-Signalen stehen verschiedene Verfahren der Signalverarbeitung zur Verfügung. Im Schwerpunkt der Materialprüfung kommen vor allem die folgenden Methoden zum Einsatz:

  • Peakdetektion: Bei der Peakdetektion werden die einzelnen Reflexionspeaks der Materialgrenzflächen im FMCW-Signal direkt identifiziert und ausgewertet. Bei mehreren, hintereinanderliegenden Grenzflächen gilt die physikalische Grenze der Entfernungsauflösung (siehe oben).
  • Modellbasierte Auswertung: Hierbei wird das zu erwartende FMCW-Signal auf Basis von Vorinformationen über das Prüfobjekt simuliert und mit dem tatsächlich aufgenommenen Messsignal abgeglichen. Ein Optimierungsalgorithmus passt Parameter wie Entfernungen oder Schichtdicken so lange an, bis eine möglichst hohe Übereinstimmung erreicht ist. Diese Methode ist besonders hilfreich für die Detektion dünner Schichten und ermöglicht es häufig, die physikalische Entfernungsauflösung des FMCW-Radars zu unterschreiten.

 

Vergleich der verschiedenen Technologien

Die beschriebenen Ansätze bieten jeweils spezifische Stärken:

  • Hohlleiter- und chipbasierte FMCW-Systeme werden bevorzugt für die Prüfung dickerer Proben mit mehreren Millimetern eingesetzt. Aufgrund der etwas höheren Bandbreite können hohlleiterbasierte Systeme zudem tendenziell dünnere Schichten auflösen. Ein weiterer Vorteil: Hohlleiterbasierte Messsysteme erreichen sehr kurze Messzeiten von 100 µs und weniger. Chipbasierte Sensoren punkten dagegen mit günstigen Herstellungskosten durch Massenfertigung (bei Stückzahlen ab ca. 100.000 Stück).

  • Photonische FMCW-Systeme bieten maximale Flexibilität: Mittenfrequenz und Bandbreite lassen sich per Softwareeinstellung anpassen, ohne dass ein physischer Austausch des Sensors nötig ist. Die erreichbaren Bandbreiten sind dabei deutlich größer als bei einzelnen hohlleiter- oder chipbasierten Systemen. Dadurch können auch sehr dünne Schichten ab einigen 10 µm zuverlässig erfasst werden. Zudem lassen sich photonische Systeme gut skalieren: Mehrere Sensoren können an eine gemeinsame Kontrolleinheit angeschlossen und parallel betrieben werden, was die Kosten pro Messkanal erheblich reduziert.