Alles im Lack! Lackschichtdickenmessung für höchste Qualität

Schichtdickenmessung in Mehrschichtsystemen – präzise, schnell und inlinefähig

Unsere Forschenden entwickeln innovative Messtechniken zur Schichtdickenbestimmung von Lacken – direkt in der Produktion, präzise bis auf einzelne Lagen und geeignet für Substrate wie Metalle und Kunststoff. Ziel ist eine automatisierte Inline-Qualitätskontrolle, die bei komplexen Mehrschichtlackierungen in der Automobilindustrie, dem Flugzeugbau oder anderen Branchen hilft, Ressourcen zu schonen, Kosten zu senken und den Korrosionsschutz zu optimieren.

Moderne Lackierungen erfüllen längst mehr als ästhetische Ansprüche. Sie schützen Oberflächen vor Korrosion, Kratzern und Umwelteinflüssen und müssen dabei höchsten industriellen Anforderungen genügen. Der Aufbau ist meist komplex: Aufwendige Mehrschichtsysteme aus Grundierung, Füller, Decklack und Klarlack kommen zum Einsatz – nicht nur bei Autos und Flugzeugen, sondern auch bei Schiffsrümpfen, Turbinenblättern, Tabletten oder Brillengestellen.

Herausforderung in der Produktion: Schnelligkeit trifft Präzision

In der industriellen Fertigung herrschen hochoptimierte Taktzeiten – entsprechend muss auch die Messtechnik zur Lackdickenkontrolle mithalten. Für eine zuverlässige Prozessüberwachung ist es nicht mehr ausreichend, nur die Gesamtdicke zu bestimmen. Gefragt ist eine präzise Messung der Einzelschichten innerhalb eines Lacksystems, idealerweise in Echtzeit und inline – unabhängig vom verwendeten Material.

Ressourceneffizienz durch intelligente Messtechnik

Gerade in der Automobilproduktion – bestehend aus Presswerk, Karosseriebau, Lackierung und Montage – hat die Lackierung großen Einfluss auf Energieverbrauch und Umweltbelastung: Etwa die Hälfte der benötigten Energie im Lackierprozess entfällt auf das Auftragen und Trocknen der Beschichtungen. Zudem stammen rund 99 Prozent der Lösungsmitteldämpfe in der Produktion aus der Lackiererei.

Je dicker die Schicht, desto mehr Energie benötigt man zum Trocknen und desto mehr Lösungsmittel wird freigesetzt. Daher ist es entscheidend, den Materialeinsatz frühzeitig im Prozess zu kontrollieren und die Schichtdickenmessung so früh wie möglich im Prozess einzusetzen. Doch feuchte Lacke stellen besondere Anforderungen an die Sensorik. Unsere Forschung zielt darauf ab, genau hier robuste, zuverlässige und prozesstaugliche Lösungen bereitzustellen.

Eingesetzte Messtechniken: Berührungslose und zerstörungsfreie Messverfahren

Gerade bei mehrlagigen Beschichtungen auf Metall und Kunststoff ist die exakte Einhaltung der einzelnen Schichtdicken ein entscheidender Qualitätsfaktor. Um Materialverbrauch und Energieeinsatz zu reduzieren, sollte die Schichtdickenkontrolle möglichst früh im Prozess erfolgen.

Für diese anspruchsvolle Aufgabe stehen bei uns verschiedene optische und berührungslose Messtechniken zur Verfügung – individuell abgestimmt auf die jeweilige Anwendung, stets zerstörungsfrei:

Durch die Vielzahl an Sensoren wählen wir den, für die jeweilige Anwendung bestgeeignete Sensor aus. Wichtige Aspekte zur Sensorauswahl sind u. a. Schichtdickenbereich, Anzahl der Schichten, Farbe der Schichten, Material der Schichten und des Untergrunds.

Beispiel für die Integration des Terahertz-Sensors auf einen Roboter zur Lackdickenmessung auf Karosserien.
© Fraunhofer ITWM
Beispiel für die Integration des Terahertz-Sensors auf einen Roboter zur Lackdickenmessung auf Karosserien.
Automobillack mit einem keilförmigen Klarlackauftrag zur Demonstration der Messfähigkeit.
© Fraunhofer ITWM
Automobillack mit einem keilförmigen Klarlackauftrag zur Demonstration der Messfähigkeit.

Terahertz-Technologie mit Alleinstellungsmerkmal

Besonders hervorzuheben sind unsere Terahertz-basierten Messverfahren. Durch ihre einzigartigen Eigenschaften bieten sie in vielen Fällen einen klaren technologischen Vorsprung:

  • Berührungslos
  • Auflösen einzelner Schichten in Mehrschichtsystemen
  • Messungen an eingefärbten Lacken
  • Messungen auf beliebigen Untergründen

Unsere in der Abteilung »Materialcharakterisierung und -prüfung« entwickelten Terahertz-Prüfsysteme kombinieren all diese Anforderungen in kompakten, robusten und industrietauglichen Lösungen. Mit einer Reproduzierbarkeit von unter 1 µm und Messraten von bis zu 1.600 Messungen pro Sekunde sind sie ideal geeignet für die Inline-Qualitätskontrolle von Mehrschichtlackierungen.

Inline-Lackdickenmessung für die Automobilindustrie

In der Automobilproduktion mit ihren hohen Stückzahlen ist Prozesssicherheit durch eine engmaschige Qualitätskontrolle entscheidend, nicht zuletzt, um Ressourcen wie Rohstoffe und Energie zu sparen und Qualitätsmängel zu vermeiden, die das Markenimage gefährden könnten.

Ein zentrales Anwendungsfeld ist die Karosserielackierung. Eine Lackdickenprüfung am Ende des Lackierprozesses ist besonders effizient, wenn die eingesetzte Messtechnik alle aufgebrachten Schichten einzeln erfassen kann. Mit Terahertz-Sensoren lässt sich die komplette Schichtstruktur in einem einzigen Arbeitsschritt präzise erfassen, ganz ohne aufwendige Mehrfachmessungen an verschiedenen Lackierstationen. Ein einziges Messsystem inklusive Roboter reicht aus, um die finale Lackqualität sicherzustellen. Darüber hinaus kann die Messung außerhalb des explosionsgeschützten Bereichs erfolgen – das senkt Integrationsaufwand und Kosten.

Die Technologie wurde erfolgreich als End-of-Line-Kontrolle etabliert und ist heute weltweit bei Automobilherstellern zur Inline-Qualitätskontrolle im Einsatz.

Kunststoffbauteile und Radarsysteme zuverlässig prüfen

Auch Exterieur- oder Interieur-Teile aus Kunststoff wie Stoßfänger unterliegen strengen Qualitätsanforderungen – insbesondere, da sie oft sicherheitsrelevante Funktionen erfüllen. So befinden sich hinter den lackierten Stoßfängern häufig Radar- oder Assistenzsysteme, deren Funktion maßgeblich von der Material- und Lackdicke beeinflusst wird.

Da die Terahertz-Messtechnik auf beliebigen Untergründen messen kann, ist auch hier deren Einsatz möglich und die Erfahrungen auf der Karosserielackierung kann direkt übertragen werden. Ein besonderer Vorteil: Gleichzeitig zur Lackdicke kann auch die Wandstärke des Stoßfängers gemessen werden – beides ist wichtig für die korrekte Funktion des integrierten Radarsensors.

Nicht nur die Lackierung der Karosserien müssen in der Automobilindustrie hohe Qualitätsstandards erfüllen, sondern auch die unterschiedlichen Exterieur- oder Interieur-Teile aus Kunststoff. Von besonderem Interesse sind die Stoßfänger, da diese wichtige Assistenzsysteme wie Radarsensoren tragen und somit für die allgemeine Sicherheit essenziell sind.
© Fraunhofer ITWM
Nicht nur die Lackierung der Karosserien müssen in der Automobilindustrie hohe Qualitätsstandards erfüllen, sondern auch die unterschiedlichen Exterieur- oder Interieur-Teile aus Kunststoff. Zum Beispiel die Stoßfänger.

Schichtdickenmessung direkt im Lackierprozess – auch bei feuchtem Lack

In vielen industriellen Anwendungen reicht es nicht aus, erst den eingebrannten Lack zu prüfen. Stattdessen ist eine frühe Kontrolle der Schichtdicke im noch feuchten Zustand gefragt.

Herausforderung: Messen in einem sich verändernden Medium

Die Messung an nassen Lackfilmen ist besonders anspruchsvoll: Während des Trocknens verdampfen Lösungsmittel oder Wasser – die Materialzusammensetzung verändert sich kontinuierlich. Um eine präzise Voraussage der finalen Trockenschichtdicke zu ermöglichen, muss das Messverfahren in der Lage sein, die aktuelle Zusammensetzung und den Feststoffanteil im Film zuverlässig zu erfassen.

Übliche Messverfahren stoßen hier schnell an ihre Grenzen:

  • Magnetinduktive, Wirbelstrom- und Ultraschallverfahren erfordern mechanischen Kontakt und sind daher für feuchte Filme ungeeignet.
  • Fotothermische Verfahren arbeiten zwar berührungslos, liefern aber bei noch nassen Schichten häufig unzureichende oder fehlerhafte Ergebnisse.

Terahertz-Technologie für Nassfilm-Messung

Terahertz-Messtechnik hat sich aktuell als einzige geeignete Methode erwiesen, um Nassfilme zerstörungsfrei, kontaktlos und präzise zu messen – sowohl auf metallischen als auch nicht-metallischen Untergründen im industriell relevanten Bereich von 10 µm bis 500 µm.

Ein besonderer Durchbruch: Die Messung der nassen Schichtdicke direkt während des Lackierens – sogar durch den Lacknebel hindurch – wurde erfolgreich demonstriert. Damit eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten zur Echtzeit-Überwachung und Prozessregelung in der Lackiertechnik.

Darstellung der Schichtdickenverteilung auf einem lackierten Testblech.
© Fraunhofer ITWM
Darstellung der Schichtdickenverteilung auf einem lackierten Testblech.
Zeitliche Entwicklung der Schichtdicken entlang der eingezeichneten Linie während des Trocknens
© Fraunhofer ITWM
Zeitliche Entwicklung der Schichtdicken entlang der eingezeichneten Linie während des Trocknens. Nach dem Trocknen und Einbrennen wurde die Schichtdicke berührend mit einem magnetinduktiven Sensor ermittelt.
Ergebnisvergleich der Gewichtsabnahme und der Terahertz-Messung während des Aushärteprozesses.
© Fraunhofer ITWM
Ergebnisvergleich der Gewichtsabnahme und der Terahertz-Messung während des Aushärteprozesses.

Schichtdickenmessung bei Lackdraht – präzise auch bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten

Lackdraht ist ein dünner Metalldraht, der meistens in Spulen benutzt wird – oft zwischen 0,01 und 1 mm Durchmesser – der mit einem Isolationslack beschichtet ist. Diese Lackschicht erfüllt eine essenzielle elektrische Isolierfunktion und muss daher präzise und gleichmäßig aufgetragen sein.

Die Herausforderung: In der Produktion werden hohe Drahtgeschwindigkeiten erreicht, gleichzeitig bewegt sich der Draht leicht senkrecht zur Bewegungsrichtung, was den Einsatz klassischer Punktsensoren wie chromatischer oder interferometrischer Sensorik ausschließt.

OCT-Aufnahme eines dünnen Lackdrahts mit zwei gegenüberliegenden Messköpfen. Unter der Annahme eines kreisrunden Drahts kann zusätzlich der Drahtdurchmesser ermittelt werden.
OCT-Aufnahme eines dünnen Lackdrahts mit zwei gegenüberliegenden Messköpfen. Unter der Annahme eines kreisrunden Drahts kann zusätzlich der Drahtdurchmesser ermittelt werden.
OCT-Aufnahme eines dünnen Lackdrahts
© Fraunhofer ITWM
OCT-Aufnahme eines dünnen Lackdrahts: Der laterale Messbereich ist größer als der Draht, um die Messung trotz seitlicher Bewegung des Drahts zu ermöglichen. Die Multireflexe werden zur Steigerung der Messgenauigkeit genutzt.

OCT-System erfasst Lack- und Drahtdicke gleichzeitig

Mit einem optischen Kohärenztomografie-System (OCT) lässt sich diese Aufgabe zuverlässig lösen. Die Technologie ermöglicht es,

  • die Lackdicke auf dem Draht exakt zu bestimmen
  • die Drahtdicke selbst zu erfassen
  • und die gleichmäßige Verteilung des Lacks rund um den Draht zu überprüfen – alles inline und in Echtzeit.

So wird eine vollständige Qualitätskontrolle des Lackdrahts während der Fertigung möglich – selbst unter anspruchsvollen Bedingungen.

Lackierte Brillengestelle zuverlässig prüfen

Auch Brillengestelle gehören zu den filigranen Bauteilen, bei denen eine präzise Schichtdickenmessung gefragt ist – sowohl bei Metall- als auch Kunststoffkomponenten. Die hohe Oberflächenqualität und das ästhetische Erscheinungsbild stehen hier ebenso im Fokus wie der Schutz vor Abnutzung.

Mit der OCT-Technologie lassen sich auch an solchen feinen Strukturen berührungslos und zerstörungsfrei zuverlässige Messergebnisse erzielen.

Herausforderung Holz: Strukturierte Oberflächen optisch messen

OCT-Aufnahme einer lackierten Platte aus Holz. Man erkennt sowohl die glatte Lackoberfläche als auch die Holzmaserung. Daraus lässt sich die Dickenverteilung des Lacks ermitteln.
© Fraunhofer ITWM
OCT-Aufnahme einer lackierten Platte aus Holz. Man erkennt sowohl die glatte Lackoberfläche als auch die Holzmaserung. Daraus lässt sich die Dickenverteilung des Lacks ermitteln.

Die Lackdickenmessung auf Holzoberflächen ist besonders anspruchsvoll. Grund ist die natürliche Maserung des Holzes, die je nach Art und Verarbeitung zu einer stark strukturierten Oberfläche führt. Viele konventionelle optische Verfahren sind hier nicht einsetzbar – sie liefern entweder ungenaue oder gar keine Messergebnisse.

Die OCT-Technologie hingegen hat sich auch auf strukturierten Substraten wie Holz bewährt. Entscheidend für die Messstrategie ist jedoch die Definition der zu erfassenden Lackdicke: Soll der minimale, maximale oder mittlere Schichtdickenwert ausgewertet werden? Die Auswahl beeinflusst sowohl die Auswertung als auch die Interpretation der Ergebnisse – und sollte anwendungsabhängig abgestimmt werden.