SMC-Prozesssimulation neu gedacht: Faserausrichtung realitätsnah modellieren – Bauteilqualität gezielt steigern

Effiziente Werkstoffe im Leichtbau: Innovative Simulation der Faserorientierung in Sheet Molding Compounds

Am Fraunhofer ITWM entwickeln wir Simulationsmethoden, die helfen, Produktionsprozesse besser zu verstehen und zu optimieren. Ein aktuelles Beispiel ist unsere neue Lösung zur Simulation von Sheet Molding Compounds (SMC), mit der wir die Produktion von faserverstärkten Kunststoffen präzise modellieren. SMC ist ein vielseitiger Werkstoff aus Glas- oder Karbonfasern und Harz, der häufig in der Automobil-, aber auch vielen anderen Industrien zum Einsatz kommt. Kern unseres Ansatzes ist die realitätsnahe Vorhersage der Orientierung von Faserbündeln im Material, ein entscheidender Faktor für die Festigkeit und Qualität des fertigen Bauteils. 

SMC gehören seit Jahrzehnten zu den etabliertesten Faserverbundwerkstoffen, der sich gut für den Leichtbau eignet. Die Orientierung der Fasern bestimmt wesentlich, wie stabil und belastbar das fertige Bauteil ist. Lange Fasern in einem duroplastischen Harz machen das Material stabil, leicht und für die Serienfertigung geeignet. Aktuell gewinnen insbesondere kohlenstofffaserverstärkte Varianten (C-SMC) an Bedeutung, die mit Faseranteilen von bis zu 60 Prozent verarbeitet werden können. Gerade in der Automobilindustrie helfen SMC dabei, Fahrzeugstrukturen leichter zu machen – was sowohl den Energieverbrauch als auch die Umweltbelastung reduziert.

Realitätsnahe SMC-Simulation: Strömungsverhalten verstehen, Material effizient nutzen

Das Pressen von SMC ist ein komplexer Vorgang, bei dem Temperatur, Druck und Materialverhalten genau zusammenspielen müssen. Die Fasern bilden dabei ein Netzwerk, das die Festigkeit, das Fließverhalten und die Materialqualität bestimmt. Wird die Faserorientierung im Entwicklungsprozess nicht berücksichtigt, kann es später zu Schwächen im Bauteil kommen. 

Weil sich Fasern und Harz beim Pressvorgang unterschiedlich schnell bewegen, ist es nicht einfach, diesen Prozess realitätsnah abzubilden. Hier setzt unser Tool an, das auf unserer Softwarelösung FLUID basiert: Harz und Fasern können mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fließen, wodurch Regionen entstehen können, in denen deutlich weniger Fasermaterial vorliegt. Die Durchlässigkeiten können mittels Mikroskalensimulationen mit GeoDict bestimmt werden.

Die Vorhersagen überprüfen und validieren wir durch Computertomographie (CT)-Bildanalyse – auch bei komplexen Bauteilgeometrien wie einem Amaturenbrett aus der Automobilproduktion.

 

Von der Mikroskala zur Bauteilperformance – präzise Simulationsdaten verbessern SMC

Unsere Methode liefert genaue Eingangsdaten für die Strukturanalyse von SMC-Bauteilen. Damit ist es möglich, das Material effizienter zu nutzen und gleichzeitig die Qualität und Sicherheit der Produkte zu erhöhen.

SMC-Simulation eines Leichtbauteils (Armaturenbrett eines Autos)
© Fraunhofer ITWM
SMC-Simulation eines Leichtbauteils (Armaturenbrett eines Autos)

Unsere Forschenden entwickelten dafür ein zweiphasiges Modell, das erstmals in einem industriellen Kontext die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten von Harz und Faserbündeln berücksichtigt. Dies ist besonders relevant bei langen Fasern mit hohem Volumenanteil.

  • Die Methode simuliert den 3D-Fluss von Harz und Fasern.
  • Die Permeabilität (Durchlässigkeit) der Faserbündel – also wie gut das Harz durch die Fasern fließen kann – wird durch mikroskalige Simulationen abgeschätzt.
  • Für die Simulation genügt die Messung der Viskosität des Harzes. Messungen für die gesamte Mischung sind nicht nötig.

Validierung: Wie gut stimmt die Simulation mit der Realität überein?

Die Ergebnisse der Simulation wurden mit hochaufgelösten CT-Scans des Materials verglichen. Dabei wurde gezeigt:

  • Die vorhergesagten Faserorientierungen stimmen gut mit den Bilddaten überein.
  • Auch die vorhergesagte Fließfront bei der Formfüllung komplexer Geometrien passt zu den experimentellen Beobachtungen.

Faserorientierung im Blick: Polarisationsbildgebung ergänzt die Simulation

Neben der modellbasierten Vorhersage setzen wir auch auf innovative bildgebende Verfahren, um die Orientierung von Faserbündeln sichtbar zu machen – und zwar direkt an der Materialoberfläche. Kohlenstofffasern reflektieren Licht auf charakteristische Weise: Sie polarisieren es. Genau diesen Effekt nutzt die vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS entwickelte Polarisationskamera, um die Faserorientierung in kohlenstofffaserverstärkten Sheet Molding Compounds (C-SMC) zu zeigen. Das geschieht in Echtzeit, berührungslos und ohne aufwendige Probenpräparation. Das Verfahren eignet sich sowohl für die Qualitätskontrolle in der laufenden Produktion als auch für die Validierung von Simulationsdaten. Die Methode bietet damit eine wertvolle Ergänzung zu Simulation und CT-Analyse, vor allem für die Oberflächencharakterisierung und Prozessoptimierung.

Ausblick: Struktursimulation von SMC-Bauteilen für effiziente Werkstoffe 

Eine realitätsnahe Simulation des SMC-Prozesses ist möglich, wenn Harz- und Faserverhalten getrennt berücksichtigt werden – und die Ergebnisse mit hochauflösenden Bilddaten überprüft werden. Die Methode verbessert die Vorhersagbarkeit von Bauteileigenschaften und hilft, Materialien effizienter einzusetzen.

»Unsere Lösung liefert erstmals robuste und industriepraktikable Eingangsdaten für die Struktursimulation von SMC-Bauteilen«, erklärt Projektleiter Dr. Hannes Grimm-Strele vom Fraunhofer ITWM. »Das ermöglicht eine durchgängige digitale Prozesskette – vom Materialmodell bis zum virtuellen Bauteiltest.«

Die neue Methode ist ein weiterer Schritt hin zu effizienteren Werkstoffen, optimierten Produktionsprozessen und leichteren, leistungsfähigeren Bauteilen, insbesondere im automobilen Leichtbau.

Anwendungen

 

FLUID – Simulationssoftware für komplexe Fluide

FLUID ist eine Software für Simulationen mit hochkomplexen, nicht newtonschen mehrphasigen Fluid-Phänomenen.

 

EU-Projekt »ALMA«

»ALMA« hat sich zum Ziel gesetzt, eine neuartige batterieelektrische Fahrzeugstruktur für PKW zu entwickeln. Dabei soll das Gewicht der Fahrzeugstruktur um bis zu 45 Prozent leichter werden.