Blick über den Tellerrand

Hochbegabung – Überflieger oder Sorgenkind?

Presseinformation /

Über Hochbegabte gibt es viele Stereotype. Der »Blick über den Tellerrand« am 25.09.2018 räumte nicht nur mit Klischees auf, sondern gab auch einen Überblick in die Grundlagen der Forschung zu Hochbegabung. Dabei präsentierte Prof. Dr. Franzis Preckel Vorstellungen von Laien über Hochbegabte, die Forschungsgeschichte und aktuelle Studien.

Prof. Dr. Franzis Preckel im Tellerrand
© Fraunhofer ITWM
Schlau geboren oder schlau geworden? Eine Debatte in der Hochbegabten-Forschung.

Hört man das Wort »Hochbegabung«, fallen den meisten Menschen zunächst wohl die klassischen Stereotypen ein. Zum Beispiel: Kinder mit Brille, die komplizierte mathematische Probleme mit Leichtigkeit lösen oder Menschen, die zwar intelligent aber sozial wenig kompetent sind. Solche Bilder werden unter anderem durch die Medien geprägt. Das macht die Forschung für Prof. Dr. Franzis Preckel besonders interessant. Lächelnd erklärt sie dem Publikum: »Stereotypen zu untersuchen ist immer unterhaltsam«.

Trotzdem stellt sie gleich zu Anfang ihres Vortrags »Hochbegabung: Grundlagen und neue Forschungsergebnisse« klar, dass diese Vorstellungen oft an der Realität vorbeigehen. Hochbegabung findet sich in allen Gebieten – in denen sich ein Gütemaßstab anlegen lässt – wieder, jedoch liegt der Fokus vor allem auf Bereichen wie zum Beispiel Mathematik, Sport oder Musik. Klar für Preckel ist: »Hochbegabung ist kein Naturphänomen, sondern eine soziale Konstruktion«.

»Experts are born« vs. »Experts are made«

In der Forschung kristallisieren sich zwei Strömungen heraus, die entweder davon ausgehen »Experts are born« – also Hochbegabte sind schon begabt geboren – oder »Experts are made« – sie werden erst dazu gemacht. Anhand aktueller Forschung erläutert die studierte Psychologin: »Hochbegabung setzt sich nicht von alleine durch«. Für die Ausprägung verschiedener Begabungen spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle.

Das altbekannte Sprichwort »Übung macht den Meister« trifft nicht auf alle Personen und Bereiche gleichermaßen zu. Mehr ist nicht immer besser und Übungserfolge hängen stark von der erhaltenen Instruktion und auch der Intelligenz einer Person ab. Auch die Persönlichkeit des Einzelnen ist entscheidend, ob sich das Potential zur Hochbegabung durchsetzt. Neben dem Glauben an sich selbst und Vorwissen stellt sich die Frage: Macht mir Spaß was ich tue? Denn Interesse und Können sind Faktoren, die eng verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dies zeigt sich vor allem im letzten Teil des Vortrags über mathematische Hochbegabung.

Prof. Dr. Franzis Preckel im Tellerrand
© Fraunhofer ITWM
Seit April 2006 leitet Prof. Dr. Franzis Preckel den Lehrstuhl für Hochbegabtenforschung und -förderung im Fach Psychologie an der Universität Trier.

Geschlechter-Gleichheit – nur eine Hypothese?

Preckel veranschaulicht anhand von Forschungsarbeiten, dass es zwischen den Geschlechtern keine oder kaum schulische Leistungsunterschiede im Bereich Mathematik gibt. Trotzdem wählen deutlich weniger Schülerinnen später ein Studium oder einen Beruf in diesem Gebiet. Dies lasse sich laut Studien unter anderem auf eine andere Interessen und Werte und auch eine Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zurückführen.
 

Take home… – Was bleibt?

Am Ende des Vortrags bleibt vor allem im Kopf: Für Hochbegabung ist besonders die Entwicklungsperspektive entscheidend. Es gibt kaum Publikationen zu hochbegabten Vorschulkindern oder Erwachsenen doch auch für diese Altersgruppen besteht Beratungsbedarf. Stereotype Vorstellungen sind eine Herausforderung, da sie oft falsch sind. Und – Geschlechterunterschiede in Mathematik basieren nicht auf Unterschieden im Können, sondern im Wollen. Offen bleibt die Frage, wie sich die Studienergebnisse mit der Praxis vereinbaren lassen und wie Hochbegabte am besten unterstützt werden. Dem wurde in der anschließenden Diskussion Rechnung getragen.
 

Zur Referentin und zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«

Prof. Dr. Franzis Preckel studierte Psychologie in Münster und Green Bay, Wisconsin. Seit 2006 ist sie Professorin für Hochbegabtenforschung und -förderung an der Universität Trier. In einer Vielzahl von Veröffentlichungen beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit Intelligenz, intellektueller Hochbegabung, Prädiktoren von Schulleistungen und mit der Evaluation von Maßnahmen der Begabtenförderung.

Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei. 

Am 16. Oktober 2018 findet der nächste Vortrag statt. Zum Thema »Ist Wissen relativ? Eine Einleitung in den erkenntnistheoretischen Relativismuse« wird Referent Prof.Dr. Martin Kusch, Wissenschaftsphilosoph an der Universität Wien, präsentieren.
 

Mehr Infos zu den Veranstaltungen des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik