Und nun: Vergessen Sie das soeben Gelesene
Wir hatten es ja vorweggeschickt: Unsere Analyse blickt nur durch die Datenbrille und ignoriert die Sachlage rund um die Infektion.
Exponentielles Wachstum gehört zu einer Ausbreitung ohne Maßnahmen – und vor allem, ohne dass die Infektionsketten nachvollzogen werden. Lineares Wachstum gehört zu einer festen Menge von z.B. Reiserückkehrern, die das Virus mitbringen (und dann niemanden anstecken würden). Beide Extreme spiegeln die Realität nicht wider. »Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen« liegt einem da auf der Zunge. Die Wahrheit könnte aber auch über Rot liegen (bezogen auf obiges Diagramm).
Aber auch wenn man alle Modellierungsfehler außer Acht lässt: Prognosen der Form »wird alles halb so schlimm« sind das Gegenteil von selbsterfüllenden Prophezeiungen. Wer heute davon ausgeht, dass rein rechnerisch keine vergleichbare Welle wie im März vorliegt, ändert womöglich sein Verhalten. Durch einen gelockerten Umgang steigt das Infektionsrisiko wieder. Die Verheißung widerlegt sich dann selbst. Um die Kanzlerin zu zitieren: »Nehmen Sie es ernst!«.
Kommentare (2)
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Sascha Feth . 20. Aug 2020 3:09 PM
Sehr geehrter Herr von Wedel. Vielen Dank für ihren Kommentar. Sie treffen damit ins Schwarze. Im Projekt EpideMSE (siehe Link im zweiten Spiegelpunkt ganz oben) wird die Ortsinformation ergänzt und man kann sich über die Zahlen in Regionen und Landkreise gezielt informieren. Dort prüfen wir gerade auch, wie sich die Testzahlen einbeziehen lassen. Dabei steckt der Teufel wie immer im Detail, was die Qualität und Quantität der verfügbaren Daten angeht. Wir werden Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden halten, welche Resultate EpideMSE erzeugt. Viele Grüße, Sascha Feth
Wedigo von Wedel . 19. Aug 2020 2:54 PM
Sehr geehrte Damen und Herren, Vielen Dank für Ihre Informationen. Wäre es Ihnen möglich die Entwicklung der bestätigten Fälle in ein Verhältnis zu der Anzahl der Testungen zu setzen. Ich meine dann würde eine Aussagekraft der erhobenen Zahlen deutlich steigen. Werden evtl. mehr oder weniger Menschen, die sich einem besonderen Risiko zur Ansteckung ausgesetzt haben getestet? Dies würde die Aussagekraft der Zahlen ja auch beeinflussen. Mich würden zudem die Orte eines erhöhten Ansteckungsrisikos sehr interessieren. Wie erheben Sie diese Daten? Was sind Ihre Ergebnisse dazu? Herzlichen Dank Ihnen für Ihre Arbeit.