Wir sehen also schon hier, dass eine gute Bewertung nur mit vielen zusätzlichen Informationen erfolgen kann. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Prävalenzen sich stark ändern können. Die Infektionszahlen im nahen Ausland steigen teilweise viel stärker (siehe Frankreich, Spanien), als die Infektionszahlen hierzulande. Die Positivrate der Tests von Menschen, die aus diesen Ländern zurückkehren, steigt also stärker, als bei den daheim Gebliebenen. Schrumpft die Gruppe anteilsmäßig an der Gesamtbevölkerung, dann ist es ohne genauere Informationen völlig unklar, wie sich das auf die Positivrate aller Tests auswirkt.
Beispiel 2: Menschen mit Symptomen
Corona ruft oft spezifische Symptome hervor. Wenn es mehr Infektionen in der Bevölkerung gibt, dann gibt es auch mehr Menschen mit dazugehörigen Symptomen. Somit könnte man umgekehrt erwarten, dass bei einem Anstieg von Infektionen mit passenden Symptomen auch die Positivrate wächst (da der Anteil an symptomatischen Menschen an der Bevölkerung dies tut).
Diese Gruppe mit Symptomen hat auch eine wesentlich höhere Prävalenz, als der Rest der Bevölkerung. Wächst diese Gruppe, dann würde man im ersten Moment auch eine steigende Positivrate erwarten, weil der dazugehörige Bevölkerungsanteil wächst. Allerdings können Symptome, die COVID-19 aufweist, auch durch andere virale Infekte hervorgerufen werden, beispielsweise durch Rhino- oder Influenzaviren. In der kälteren Jahreszeit steigt auch wieder die Prävalenz dieser Erkrankungen. Breiten diese Viren sich schneller aus als Corona, dann könnte die Prävalenz von Corona in der Gruppe der symptomatischen Menschen sinken – und damit auch die Positivrate, auch wenn die Prävalenz von Corona in der Bevölkerung weiter steigen könnte.
Fazit
Wer mehr testet, der findet auch mehr – diese Binsenweisheit ist auch hier wahr. Allerdings lässt sich allein damit der Anstieg der Infektionszahlen bei weitem nicht erklären. Die genauere Beurteilung mit Hilfe der Positivrate ist zunächst naheliegend. Leider liegt der Teufel wie so oft im Detail – eine korrekte Bewertung der Positivrate verlangt einen sehr detaillierten Einblick in die Strategie, welche Gruppen man wie oft testet, wie sich die Bevölkerung aus diesen Gruppen zusammensetzt und wie groß die Prävalenz dort ist.
Können wir allerdings davon ausgehen, dass sich diese Dinge nicht gravierend geändert haben, so wie man es bei KW 37-39 tun könnte, dann spiegelt ein Anstieg der Positivrate sehr wahrscheinlich einen Anstieg der Prävalenz wider. Da sich in diesem Zeitraum auch die Gesamtzahl der Tests kaum geändert hat, wird der aktuelle Anstieg der Fallzahlen sehr wahrscheinlich einen entsprechenden Anstieg der Infektionen in der Bevölkerung anzeigen.