Risse in Beton finden und charakterisieren

DAnoBi (Detektion von Anomalien in Bilddaten)

Der Universalbaustoff Beton ist fest und widerstandsfähig, aber spröde. Dünne Risse in Beton sind nahezu unvermeidbar, aber normalerweise auch nicht schädlich. Für die Inspektion, Diagnose und Instandhaltung von Betonoberflächen müssen Risse dennoch verlässlich gefunden und bewertet werden. Häufig beurteilen Expertinnen und Experten Rissbilder rein visuell.

Beton und Rissstrukturen variieren je nach Anwendungsfeld sehr stark. Betonoberflächen können sehr unregelmäßig sein. Es ist deshalb schwierig, dünne Rissstrukturen verlässlich automatisch zu segmentieren.

Wir haben zwei sehr flexible und robuste Lösungen für diese Aufgabe entwickelt – eine mithilfe klassischer Bildverarbeitung und ein maschinelles Lernverfahren (Machine Learning ML). Sie finden auch auf heterogenem Hintergrund Haarrisse, die nur einen Pixel dick sind.

Im Fokus 3D-Bilder und Computertomographie

Risse im Inneren können zerstörungsfrei mittels Computertomografie abgebildet werden. Sie erscheinen in den 3D-Bildern aber meist nur wenig dunkler als ihre oft sehr heterogene Umgebung. Risse zuverlässig zu finden, ihren Verlauf vollständig zu erfassen und sie zu analysieren, ist daher in 3D besonders herausfordernd.

Im Projekt DAnoBi (Detektion von Anomalien in Bilddaten) entwickeln wir gemeinsam mit Partnern Verfahren, die auch in Bildern der Größe 400GB Risse finden und segmentieren.

Die Zukunft: Weltweit einzigartige CT-Anlage für das Bauwesen

Eine große Herausforderung: Mikro-CT-Technologie wie bei uns am Fraunhofer ITWM durchleuchtet Betonproben mit nur wenigen Zentimetern Kantenlänge und Durchmesser. Mechanische Belastungsversuche an mehrere Meter langen Betonproben lassen sich nicht durchführen. Dies wird künftig an der Technischen Universität Kaiserslautern, im Fachbereich Bauingenieurwesen, möglich sein. Dort entsteht derzeit eine weltweit einzigartige CT-Anlage, die im Sommer 2023 an den Start geht. Die Anlage arbeitet mit wesentlich stärkeren Röntgenstrahlen – neun Megaelektronenvolt – als medizinische Röntgengeräte, sodass bewehrte Betonbauteile bis zu einem Durchmesser von 30 Zentimetern und einer Länge von sechs Metern durchleuchtet werden können. 

Computertomographieportal Gulliver.
© Fraunhofer ITWM
Computertomographieportal Gulliver.
Betonprobe mit Riss.
© Fraunhofer ITWM
Betonprobe mit Riss.

Eines der ersten und wichtigsten Anwendungsszenarien in Gulliver, so der Name des Großgeräts, ist die 3D-Abbildung der Rissentwicklung in großen Betonbalken während eines Vier-Punkt-Biegeversuchs. Die dreidimensionalen Röntgenaufnahmen dieser Prozesse sind für die Forschung sehr aufschlussreich. Die Technik wird den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei helfen, den komplexen Verbundwerkstoff Beton besser zu verstehen. Je Experiment erzeugt Gulliver dabei zwischen 120 Gigabyte und zwei Terabyte an Bilddaten. Ziel der Forschung ist die 3D-Abbildung und die Analyse der Strukturveränderungen durch die Biegebelastung während des laufenden Versuchs.

Mehr zu Gulliver, der CT-Anlage (Großgeräteinitiative) der RPTU Kaiserslautern-Landau 
 

Unsere Expertise und unser Aufgabenbereich im Projekt

Wir am Fraunhofer ITWM optimieren das Speichermanagement und die Bildauswertung unserer umfangreichen 3D-Bildverarbeitungs- und -analysesoftware, um mit den anfallenden riesigen Datenmengen effizient umgehen zu können. Die komplexen Algorithmen müssen kurze Antwortzeiten bei der Bildverarbeitung ermöglichen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, gilt es doch, in kurzer Zeit feinste Strukturen in der riesigen Datenmenge zu finden. Dafür bietet die ITWM-Software umfangreiche Analysemethoden, etwa für lokale Porositäts-, Dicken- und Orientierungsanalyse.

Geplant ist, die Expertise von Bauingenieur:innen mit der 3D-Bildanalyse zu verknüpfen, um komplexe Algorithmen optimal auszuwählen und zu parametrisieren, Zwischenergebnisse korrekt zu bewerten und Fehler möglichst früh zu korrigieren. Dazu wird ein KI-Assistent entwickelt, der den erwarteten Arbeitsablauf und Datenfluss erlernt, sowie erwartete Zwischenergebnisse und typische Fehlerbilder. Er wird unter anderem anhand der CT-Messparameter und der Probenbeschaffenheit – wie Dimensionen und Materialmischung – trainiert, um die Bilddatenqualität zu bewerten. Bauingenieur:innen erhalten dadurch schließlich bessere Berechnungsgrundlagen etwa zum Tragverhalten von Bauteilen aus Beton und können infolgedessen Material sparen und den Anteil des erforderlichen Bewehrungsstahls oder des Faseranteils optimal anpassen.

In Zukunft soll zudem Quantencomputing die Auswertung von CT-Daten beschleunigen.

Mehr zum Quantencomputing am Fraunhofer ITWM

Visualisierung des Risses im 3D-Bild.
© Fraunhofer ITWM
Visualisierung des Risses im 3D-Bild.
2D: Beton-Platte mit Rissen.
© Fraunhofer ITWM
2D: Beton-Platte mit Rissen.
2D: Risse auf Beton-Platten
© Fraunhofer ITWM
2D: Risse auf Beton-Platten detektiert.