Schon mal im Lotto gewonnen? Unsere bloggenden Statistiker Sascha Feth und Jochen Fiedler besprechen statistische Grundlagen zum Thema Glückspiel. Der passende Blogpost mit Hintergrundwissen zum Nachlesen zur letzten Podcastfolge.
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Die Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde im 16. Jahrhundert überhaupt nur deshalb erfunden, damit Adelige sich im Glücksspiel besser schlagen. Was ist davon heute übriggeblieben? Haben Statistiker:innen einen Vorteil bei Lotto, Roulette und Co. und gewinnen häufiger?
Wie wahrscheinlich ist es, bei einem Würfelwurf eine Sechs zu würfeln? Ein Sechstel natürlich. Was aber, wenn bereits 100-mal in Folge keine Sechs gewürfelt wurde, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit für eine Sechs im 101. Wurf? Immer noch ein Sechstel. Beseitigt man die letzten Zweifel an dieser Behauptung mit der Aussage »Ein Würfel hat kein Gedächtnis«, so bleibt auf dem Gesicht des Gegenübers oft dennoch ein unzufriedener Ausdruck zurück. Irgendwie muss doch diese Serie ohne eine Sechs wieder ausgeglichen werden.
… zumindest nicht so, wie erhofft. Wechseln wir kurz zu einer Münze. Hier erwartet man ja, dass unter vielen, vielen Würfen ungefähr gleich viele Ausgänge mit Kopf wie mit Zahl auftauchen sollten. Sagen wir 500 Mal Kopf und 500 Mal Zahl in 1.000 Würfen. Ungefähr zumindest. Wenn jetzt aber 100 Mal am Stück Kopf kam, dann müsste doch jetzt Zahl irgendwie aufholen. Doch das ist es nicht, was uns das Gesetz der großen Zahlen verspricht. Es sagt nur, dass die relativen Häufigkeiten, also die Quoten, immer exakter an die 0,5 heranrücken sollten. Jedoch nur langfristig gedacht. Kamen nun also seltene Serien, wie etwa »100 Mal Kopf in direkter Folge«, dann trübt das die Quote immer weniger. Bei 1.000 Würfen entspricht diese Serie zwar noch zehn Prozent, aber bei einer Million Würfen fällt sie mit 0,01 Prozent kaum noch ins Gewicht. So muss der Zufall solche Abschweifungen nicht aktiv korrigieren und dennoch stimmen die Quoten »am Ende«.
Das zeigt sich auch sehr schön in der »symmetrischen Irrfahrt«. Werfen Sie eine Münze und starten sie gedanklich bei 0 Euro. Jedes Mal, wenn Zahl fällt, addieren Sie einen Euro und jedes Mal, wenn Kopf fällt, ziehen sie einen Euro ab. Der erste Münzwurf bringt Sie also entweder mit einem Euro in die Gewinnzone oder mit einem Euro in die Verlustzone. Was schätzen Sie: Wie lange ist die mittlere Wartezeit, bis Sie wieder bei 0 Euro sind?
Ohne es jetzt hier beweisen zu wollen, lautet die Antwort auf die eben gestellte Schätzfrage: Unendlich. Im Mittel zumindest. Natürlich kommt es immer wieder vor, dass Sie dem kleinen Münzwurfspiel wieder auf 0 Euro zurückkehren, darauf warten sollten Sie aber nicht, denn im Mittel dauert es unendlich lange. Es gibt also keinerlei Garantie, dass Sie bei diesem Experiment die Rückkehr zu 0 Euro erleben werden, egal wie alt Sie werden. Erneut ist es das Gesetz der großen Zahlen, welches zwar Quoten ausgleicht, jedoch nicht für absoluten Ausgleich sorgt. Dies wollen wir mit den folgenden zwei Grafiken illustrieren. Die erste Grafik zeigt ein simuliertes Beispiel für eine symmetrische Irrfahrt, bei der wir virtuell 1.000-mal eine Münze geworfen haben. Wir sehen, dass diese Irrfahrt von der 0 »wegdriftet« ist, wir also im Verlaufe des Spiels immer in der Gewinnzone bleiben – nach 1.000 Würfen haben wir immerhin etwa 25 Euro Gewinn.
Im Vergleich dazu sieht es bei den Quoten für Kopf und Zahl anders aus:
Wir sehen, dass sich bei Quoten der erwarteten Quote von 0,5 annähern und dass hier kein Drift weg von der 0,5 zu sehen ist – obwohl wir bei unserem Guthaben deutlich von der 0 entfernt sind!
Trotz eines möglichen Drifts und der Tatsache, dass wir möglicherweise im Verlaufe des Spiels nie wieder zur 0 zurückkehren werden, ist 0 Euro der zu erwartende Ausgang unseres Experiments. Das hat etwas mit Erwartungswerten zu tun. Erwartungswerte berechnen sich, in dem alle möglichen Ausgänge mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet werden:
| Der einzelne Durchgang unserer symmetrischen Irrfahrt kann mit Kopf oder Zahl enden. Beide treten jeweils mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit ein (als 0,5 geschrieben). Zahl führt zu +1 Euro, Kopf zu –1 Euro. Als gewichtete Summe ergibt sich: Erwartungswert = 0,5 * 1 + 0,5 * (-1) = 0 Auch wenn der Erwartungswert von 0 kein möglicher Ausgang des einzelnen Durchgangs ist, können Sie mit ihm bestimmen, welchen Gewinn Sie nach z.B. 10 Durchgängen erwarten dürfen: 10 * 0 Euro = 0 Euro. Und das, obwohl wir jetzt wissen, dass wir auf die 0 Euro im Mittel unendlich oft warten müssen. |
Um das zu beantworten, müssen wir unter anderem wissen, wie wahrscheinlich sechs Richtige aus 49 (mit Superzahl) sind. Mal abgesehen davon, dass der Jackpot nach einer gewissen Zeit ausgeschüttet werden muss, liegt man hier rechnerisch bei 1:140 Millionen. Um sich das zu visualisieren, verteilen wir entlang der 2.270 km von Dortmund nach Moskau lückenlose Ein-Cent-Stücke entlang der Straße. Eines davon – zufällig ausgewählt – trägt auf der Rückseite eine Markierung. Bei Ihrer Fahrt von Dortmund nach Moskau haben Sie nun genau einen Versuch, irgendwo anzuhalten und durch das Umdrehen einer einzelnen Münze genau dieses eine Cent-Stück zu finden. Viel Erfolg!
Für den Erwartungswert brauchen wir zusätzlich den zu erwartenden Gewinn bei sechs Richtigen. Der größte Jackpot war im Jahr 2007 bei 45 Millionen, ist aber sonst deutlich geringer. Somit beträgt der Summand hier maximal 45 Millionen * 1:140 Millionen = 32 Cent. Meistens sind es aber eher zehn Cent. Jetzt müssen wir den gleichen Centbetrag noch für fünf Richtige, vier Richtige, usw. bestimmen und das mit den zwei Euro vergleichen, die ein Lottoschein kostet.
Wir kürzen hier ab: Da Lottogesellschaften sich selbst auf ca. 50 Prozent Ausschüttungsquote verpflichtet haben, können Sie von jedem eingesetzten Euro auch nur ungefähr 50 Cent Gewinnt erwarten. Anders formuliert: Wenn Sie bisher 1.000 Euro in Lottoscheine investiert haben, dann haben Sie vermutlich ungefähr 500 Euro gewonnen und ebenso ungefähr 500 Euro verloren.
Beim Roulette hängen die zu erwartenden Gewinne stark von der Variante ab, die man spielt. Als Größenordnung darf man erwarten, dass man von 100 Euro Einsatz ca. 97 Euro zurückgewinnt. Die restlichen drei Euro gehen ans Casino. Das ist deutlich fairer als Lotto, geht aber natürlich noch immer zu Ungunsten der Spieler:innen. Casinos können hier etwas großzügiger sein, weil viele Spieler natürlich mehr als 100 Euro mitbringen und sowieso viel mehr als die zwei Euro für einen Lottoschein. Über die Menge an Spielen kommt somit dennoch ein sehr guter Gewinn für die Bank zustande. Gleichzeitig wird man über regelmäßige, aber nicht kostendeckende, Gewinne bei Laune gehalten.
Haben wir schon erwähnt: Glücksspiel kann süchtig machen.
Es gibt tatsächlich Wege, seine Gewinnwahrscheinlichkeiten zu erhöhen. Der einfachste Weg ist es seinen Einsatz immer zu verdoppeln. Spielen wir dazu doch Schnick-Schnack-Schnuck mit einem Euro Einsatz. Wenn Sie verlieren, gehen Sie in der nächsten Runde auf »doppelt oder nichts«. Sobald Sie nun das erste Mal gewinnen, gehen sie mit einem Euro Gewinn aus dem Spiel. Alles was Sie dazu benötigen, ist unendlich viel Geld, falls der Sieg länger auf sich warten lässt, und ein Casino, das kein Limit bei den Einsätzen hat.
| Nehmen wir an, Sie gewinnen die dritte Runde. Dann haben Sie in der ersten Runde einen Euro und in Runde Zwei schon zwei Euro verloren. Insgesamt also drei Euro. Nun legen Sie (und der/die Mitspieler/in) vier Euro auf den Tisch und gewinnen. Insgesamt haben sie damit sieben Euro auf den Tisch gelegt und acht Euro gewonnen. Das lässt sich beliebig verallgemeinern: Beim ersten Sieg gehen Sie garantiert mit einem Euro Gewinn nach Hause. |
Diese Strategie lässt sich theoretisch auch beim Roulette anwenden, scheitert in der Realität aber daran, dass man nicht über unendlich viel Geld verfügt und die Einsätze auch gedeckelt sind. Somit existieren hier keine Strategien, mit denen man mit Sicherheit einen Gewinn erzielt – man kann aber seine Gewinnwahrscheinlichkeit dennoch maximieren. Am erfolgversprechendsten sind aggressive Strategien, bei denen man immer möglichst viel setzt. Als Beispiel nehmen wir das sogenannte »Red and Black«, wo man entweder auf Schwarz oder auf Rot setzt: Angenommen wir haben zu Beginn ein Kapital von zehn Euro und möchten am Ende mit 100 Euro den Roulettetisch verlassen. Eine gute Strategie besteht darin, soviel auf die gewünschte Farbe zu setzen, wie man muss, damit man im Falle eines Gewinns 100 Euro hat. Verfügt man nicht über so viel Geld, so setzt man alles, was man hat. Konkret: Haben wir 20 Euro, dann setzen wir diese auch. Haben wir 60 Euro, dann setzen wir 40 Euro. Diese Strategie wirkt auf den ersten Blick riskant, weil man sehr schnell alles verlieren kann. Andererseits muss man sich klarmachen, dass das Spiel auf lange Sicht immer gegen einen läuft – das ist das Gesetz der großen Zahlen. Somit sollte man den Aufenthalt am Tisch möglichst kurzhalten, weil auf kurze Sicht größere Schwankungen zu unseren Gunsten möglich sind.
Darüber hinaus bleiben im Casino fast nur illegale Taschenspielertricks, wie z.B. mit flinken Fingern Einsätze heimlich umzuplatzieren. Oder sonstige, verbotene Manipulationen der Würfel oder Roulette-Räder. Auch die Spiele genau zu beobachten, um aus den Handbewegungen der Dealer und der Radpositionen etwas zu lernen ist eher aussichtslos. Es braucht vermutlich mehr Beobachtungszeit (und damit verlorenes Geld) als das Casino ihnen gewähren wird, bevor man Sie hinaus bitten wird.
Beim Lotto können Sie mit System spielen, indem Sie auf eine Zahlenreihe tippen, die nur selten von ihren Mitmenschen getippt werden. Die meisten Menschen bevorzugen Muster oder Datumsangaben. Zahlen oberhalb von 31 werden damit schon mal vergleichsweise selten getippt. Damit erhöhen Sie zwar nicht die Wahrscheinlichkeit auf einen Gewinn, müssen in diesem Fall aber vermutlich mit weniger anderen Gewinnern teilen. Je weniger Menschen Lotto mit System spielen, desto besser ist es also auch für die Systemspieler. Leider bleibt auch in dieser Variante ein zu erwartender Verlust für Sie, denn nun ist die Gesellschaft fürs Systemtippen zwischengeschaltet und möchte auch etwas verdienen. Zu Ihren Ungunsten versteht sich.
Es gibt Strategien wie man optimal spielt, wenn man spielen muss. Allerdings muss man sich auch überlegen, was man mit dem Spielen erreichen will. Wenn Sie kein Geld gewinnen möchten, dann wollen sie vielleicht die Dauer des Spielens möglichst strecken, um das Spiel und die Atmosphäre zu genießen.
Andernfalls sollten Sie höchstens aus einer pathologischen Notlage herausspielen: Sie brauchen jetzt sofort eine Million Euro und haben nur zehn Euro in der Tasche. Seien Sie dann bitte nicht überrascht, wenn es nicht klappt.
Und denken Sie bitte daran, auch Statistiker:innen verlieren im Mittel Geld beim Glücksspiel und können der Spielsucht verfallen.
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM